Dreesch7 – ein Besuch im Supper Club
An einem verschneiten Samstag im Februar machen wir uns von Berlin auf den Weg zum SupperClub@Dreesch7 in der Uckermark. Mit viel Vorfreude und großem Appetit kommen wir am alten Scheunengebäude von „Dreesch7“ an. Die Gastgeber Christiane und Norbert haben das über hundert Jahre alte Gebäude 2015 gekauft und das Wohnhaus zu einer Ferienwohnung und einem privaten Bereich umgebaut. Sie verwendeten dabei möglichst klimaneutrale und nachhaltige Materialien und haben fast alles selbst gemacht. Sie renovierten das Gehöft liebevoll mit vielen spannenden Ideen, klarem Stilbewusstsein, handwerklichem Geschick und mehreren grünen Daumen. Seit 2016 können Gäste hier übernachten und in diesem Kleinod selber kochen – oder noch besser: einmal im Monat am SupperClub@Dreesch7 teilnehmen, für den es sogar schon einen Touristikpreis gab.
Wir werden heute in der schönen Ferienwohnung übernachten und sind völlig begeistert vom Interieur – Industrial Style trifft ländliche Gemütlichkeit. Die Wände sind in einem warmen Grauton gestrichen, Vintage-Möbel und Holzantiquitäten sorgen für Wohlfühlatmosphäre. Dazu witzige Details wie ein Spiegel in einem alten, hölzernen Tennisschläger, Handtuchhalter aus Schleichtieren und geschwungene Holzlampen. Alte Beschläge an den Holztüren und schwarze Keramikschalter runden den Retrostil ab. Vieles im Haus ist selbst gemacht und wird von den kreativen Gastgebern sogar in Workshops vermittelt, in denen sie zeigen, wie man aus Stahl, Beton und Holz einzigartige Möbelstücke und Objekte macht.
Aperitif – erst einmal schön ankommen
Der Gastraum in der gemütlichen Tenne mit Heuboden ist bereits wunderschön eingedeckt, als wir ankommen. Unsere Vorfreude auf das Fünf-Gänge-Menü steigt zunehmend. Wir haben noch etwas Zeit, die Einmachgläser mit den hausgemachten Köstlichkeiten im Hofladen zu bewundern, und schreiben in Gedanken schon die Einkaufsliste: Es gibt Apfelsaft, Brombeer- und Marillenmarmelade, eingelegte Gelbe Bete, Dill-Gurken, Birnen-Chutney, schwarze Walnüsse – besser bekannt als „Pfälzer Trüffel“ – und vieles mehr.
Christiane ist beschäftigt mit den letzten Vorbereitungen in ihrer Küche. Es riecht bereits köstlich, und draußen wird es langsam dunkel. Pünktlich um 17 Uhr sind alle Gäste da, und es kann losgehen. Wir nehmen am großen Tisch Platz, und der knisternde Kamin heizt uns ordentlich ein.
Biersuppe, Knödel, Croutons – manche Gäste bringen die Zutaten mit
An diesem Abend sind wir acht Gäste und kommen schnell ins Gespräch. Spannenderweise hat das anwesende Bierbrauerpärchen das Bier für die Suppe mit selbstgemachten Knödeln und Croutons beigesteuert. Ihr Bier heißt „Hundert“ und passt hervorragend als Aperitif, weil es mit Champagner-Hefe gebraut wurde. Das korrespondiert natürlich perfekt zur Biersuppe und ist ein toller Start in den Abend. Beim Barnimer Bier ist fast alles Handarbeit. In ihrer Brauerei, direkt mit Bahnanschluss in Hohenfinow, brauen die beiden ehemaligen Berufsmusiker jetzt in Vollzeit ihr Bier. Auf ihren vielen weltweiten Orchesterreisen ist die Liebe zum Bier gewachsen, und mittlerweile brauen sie über fünfzehn verschiedene Sorten: von Weißbier bis Pale Ale.
Alle heutigen Gäste leben in der Umgebung und wohnten ursprünglich mal in Berlin. Sie haben sich aus unterschiedlichen Gründen in die Region verliebt und können sich ein Leben in der Großstadt gar nicht mehr vorstellen. Die Uckermark gilt schon lange als ein beliebtes Exil für Berlin-Überdrüssige. Und Orte wie Lychen, Prenzlau, Eberswalde und Angermünde sind sehr gut an den ÖPNV angeschlossen. Vor der Tür von „Dreesch7“ – übrigens die Adresse und gleichzeitig ein alter landwirtschaftlicher Begriff – hält dreimal täglich ein Bus aus Prenzlau.
Viele Zugezogene, so erfahren wir, kommen aus der Kreativwirtschaft, dem Tourismus oder der Gastronomie, was zu spannenden Gesprächen über Essen und Reisen und über Essen auf Reisen führt. Schnell werden Restauranttipps aus Berlin und der Uckermark ausgetauscht. Es gibt hier eine große Auswahl an Bioerzeuger:innen, mit denen auch Christiane schon lange und gerne zusammenarbeitet.
Kraut, süße Chilisauce – frische Produkte und scharfe Ideen
Nach der wärmenden Suppe kommt der knackige Krautsalat mit schöner Schärfe von der Chilli-Schote besonders belebend daher. Alle genießen den Frischekick und den ebenso frischen Riesling. Die Weine werden Christiane von einem befreundeten Sommelier aus der Region, Christian Soyeaux, und seiner Kollegin zusammengestellt. Zu sehr moderaten Preisen kann man die Weinbegleitung zum Menü dazu bestellen. Es lohnt sich, alle Weine zu probieren, da sie hervorragend zum Essen ausgewählt wurden.
Onsen-Ei, Buttermilchschaum, eingelegte rote Zwiebeln, Kimchi-Pulver – japanisches Streetfood und Uckermark-Knolle
Das Onsen-Ei ist bekannt für seine fast wachsartige Konsistenz. Onsen hat auf Japanisch die Bedeutung „heiße Quelle“ und steht für Thermalbäder oder Orte, die mit Quellwasser erhitzt werden. Das Onsen-Ei wird dementsprechend rund eine Stunde bei Temperaturen zwischen 62 und 69 °C langsam gegart und nicht gekocht, wodurch sowohl Eiweiß als auch Dotter nur leicht gerinnen und die gewünschte Konsistenz erhalten. In Japan werden Onsen-Eier oft in natürlichen Quellen gegart und als Streetfood verkauft.
Christiane kauft ihre Eier beim Demeterhof Weggun, ihrem Bauern des Vertrauens, der natürlich auch die Brüderhühner aufwachsen lässt. Das Kimchi-Pulver hat sie selber gemacht, indem sie Kimchi getrocknet und pulverisiert hat – Ideen muss man haben. Die roten Zwiebeln aus dem Garten wurden eingelegt und haben eine herrliche Süße, die perfekt zum Ei passt. Dazu trinken wir alle ein Glas Rosé und planen den nächsten Besuch im Sommer, wenn man bis spät in die Nacht im Garten sitzen kann.
Spitzpaprika-Schnitzel, Dumplings, Marie-Rose-Sauce – die englische Sauce rockt sowohl zum Veggie-Schnitzel als auch zum Reh
Das vegetarische Hauptgericht des Abends ist großartig: gegarte Spitzpaprika, die in einem knackigen Mantel aus schwarzem Sesam, Pankow und Nori-Blättern daherkommt. Dazu gibt es die englische Marie-Rose-Sauce und Hefeklöße – asiatische Dumplings –, mit denen wir die Soße und den Sud aufnehmen können. Nicht weniger spannend ist natürlich das Sous-vide-gegarte Reh von der Wildwirtschaft. Die verwendeten Produkte sind alle saisonal, regional und Zugekauftes gibt es nur in Bioqualität. Beim eigenen Anbau von Obst, Gemüse, Kräutern und Blüten sowie der Verarbeitung der Ernten setzen Christiane und Norbert auf alte, heimische und widerstandfähige Sorten.
Pofesen, Sauerrahmglace – schönste Kindheitserinnerungen auf den Tellern
Der Nachtisch, den Christiane als „Pofesen“ vorstellt, kenne ich als „Arme Ritter“ und ist ein Lieblingsgericht aus meiner Kindheit. Vorab in Milch, Ei und Vanille eingeweichtes Weißbrot wird in Butter angebraten und mit viel Zimt und Zucker serviert. Meine Oma hat es mir mit einer köstlichen Wein-Vanillesauce gemacht. Sie hat behauptet, dass nach dem Aufkochen kein Wein mehr in der Soße sei, aber ich fühlte mich dennoch immer etwas beschwipst. Vielleicht war ich auch einfach beseelt vom leckeren Essen – genau wie heute. Die „Pofesen“ lösen bei mir und allen anderen Gästen Glückgefühle aus, das Sauerrahmeis gibt die nötige Frische dazu, und essbare Blüten runden das Gericht optisch ab.
Der anschließende Schnaps von Norbert – Pflaume oder Birne – macht die Runde. Endlich schafft es auch Christiane, ein Gläschen mit uns zu trinken und noch mal von ihren Rezeptinspirationen zu erzählen. Durch Bücher von Yotam Ottolenghi und Andreas Caminada blättert sie gerne. Aber natürlich inspirieren sie auch die eigenen Produkte und die der anderen engagierten Menschen aus der Umgebung immer wieder zu neuen Kompositionen.
„Dreesch7“ ist eine wirklich nachhaltige und kulinarische Oase und etwas Besonderes. Nicht nur weil wir in diesem schönen Ambiente so tolle Menschen kennenlernen durften – sondern weil die Wertschätzung und das Zelebrieren des Essens der Seele und dem Körper einfach guttut. Christiane, die früher viel und gerne gereist ist, ist mittlerweile lieber hier in der Natur. Und so ist ihre Idee, sich die Welt nach Hause einzuladen, voll aufgegangen. Wir fallen uns zum Abschied alle in die Arme und anschließend in unser Bett – was für schöner Abend.
Wer es nicht sofort in die Uckermark schafft, der kann sich von Christianes Kochbuch mit ihren Lieblingsrezepten, darunter ausgebackene Wildkräuter oder grüner Hüttenkäse, erst mal inspirieren lassen. Alle Informationen und Termine zum monatlich stattfindenden SupperClub@Dreesch7 finden sich hier und für Ende März gibt es noch ein paar Plätze.
© Fotos: Dreesch7, Geraldine Voss
Geraldine Voss
Geraldine arbeitet als freie Autorin für Good Travel und hat gerade eine Ausbildung zur Nachhaltigkeitsmanagerin absolviert. Nach zwanzig spannenden Jahren beim Film, widmet sie sich jetzt hauptberuflich ihren anderen Leidenschaften – Reisen, Essen und Design.
4 Comments
-
-
-
Jan
Danke für den schönen Bericht. Habe den Eindruck, dass man da ein gemütliches Wochenende verleben kann.
Gut geschrieben. Bitte mehr davon.-
Geraldine Voss
Vielen Dank. Wir bemühen uns. Schöne Reisen & gutes Essen gehören halt auch einfach zusammen.
-
Elisabeth Klein-Altstedde
Wiedermal ein toller Bericht von Geraldine.
Auch wenn ich nicht dabei war.
So wie sie alles beschrieben hat.
War ich in schönen Gedanken dabei.