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Alpakatour in Pausin

Alpakatour in Pausin: Ein Ausflug zu den „Delfinen der Weide“

Annelies und Achim Liesegang haben sieben Kinder, sechs Enkelkinder und elf Alpakas. Ein Pensum, das das sympathische Rentnerpaar locker wegzustecken scheint und das sie noch dazu jung hält. Zwischen Spandauer Forst und Potsdam liegt der „Alpakahof Pausin“, den Ort habe ich mir mit der Eselsbrücke „eine Pause machen“ gemerkt. Als wir im Ort dann am Bistro „Auszeit“ vorbeifahren, muss ich schmunzeln, und die Vorfreude auf die gebuchte Alpakawanderung steigt. Schon der Parkplatz vor dem Vierseithof der Liesegangs ist idyllisch. Eine rustikal-verschnörkelte Sitzgelegenheit aus Holz (von Forstwirt und Holzbildhauer Jörg Richter) weist darauf hin, dass hier der schöne Havelland-Radweg vorbeiführt. Beim Betreten des Geländes schauen die frisch geschorenen Paarhufer bereits neugierig in unsere Richtung. Es ist nicht meine erste Alpakatour, aber die Faszination ist immer wieder die gleiche. Diese mit den Kamelen verwandten Tiere haben etwas an sich, das viele Menschen anspricht. Und die Popularität der Alpakas ist ungebrochen.

Alpaka-Guide Achim kennt seine Tiere bestens

Achim Liesegang, ein agiler 73-jähriger Rentner, wuselt schon auf der Weide herum und versieht die Tiere mit Geschirr und Leinen. Wir Teilnehmenden spekulieren alle, welches Tier wir wohl zugeteilt bekommen oder wen wir am liebsten beim gemeinsamen Spaziergang begleiten wollen. Auf einer anderen Tour wurde mir erzählt, die Tiere würden sich ihre Begleiter:innen selbst aussuchen und das sage viel über den Charakter des Menschen aus.

Mag sein, aber Achim teilt die Tiere herrlich pragmatisch einfach nach Augenmaß und Größe zu. Die Kinder in der Gruppe erhalten zu ihrer großen Freude das putzige Fohlen und dessen Mutter. Ich bekomme den einzigen Hengst in der Gruppe – den zweijährigen Lukas –, dessen grau-weißes Fell ein paar hübsche schwarze Punkte zieren.

Bevor wir dann eine Dreiviertelstunde spazieren gehen und die Tiere anschließend füttern werden, erzählt Achim sehr kurzweilig über die Herkunft, die Zucht und die Gewohnheiten der Alpakas. Sie sind insgesamt sehr genügsam und anpassungsfähig. Aus den Anden kommend können sie wegen ihres besonderen Fells Temperaturen von bis zu minus fünfundzwanzig Grad aushalten, aber genauso gut starke UV-Strahlung, wie sie im Hochland üblich ist. Zudem sind die Tiere Veganer und Wiederkäuer und wurden vor über sechstausend Jahren von den Menschen domestiziert. Besonders die hohe Qualität ihrer Wolle macht sie zu einträglichen Nutztieren.

Während das Lama vor allem als Lasttier dient, werden Alpakas wegen ihrer Wolle gezüchtet. Bei den Inka galt ein Alpakamantel als Zeichen von Wohlstand. Und auch heute noch gilt die Wolle der Alpakas als besonders hochwertig. Sie isoliert gut, kann viel Feuchtigkeit aufnehmen und ist auch für Allergiker:innen geeignet. Seit den 1970er-Jahren werden die Tiere deshalb vor allem nach Europa und Neuseeland importiert. Den größten Bestand gibt es aber weiterhin in Peru.

Alpakahof Pausin

Die beliebte „Ponyfrisur“ der Tiere ist übrigens kein modischer Firlefanz.

Da Alpakas ihr Fell nicht von selbst verlieren, müssen sie jährlich geschoren werden, um eventuelle Hitzestaus in den warmen Monaten zu vermeiden. Achim erzählt sehr offen, dass das Scheren für die Tiere und ihn großer Stress gewesen sei, weswegen er seit einigen Jahren eine professionelle Schererin engagiert. Die beliebte „Ponyfrisur“ der Tiere ist übrigens kein modischer Firlefanz. Sie schützt die – wie bei allen Fluchttieren – seitlich sitzenden Augen vor nervigen Insekten.

Achim berichtet, dass es durchaus auch kritische Stimmen von Tierschützer:innen hinsichtlich der artgerechten Haltung der Tiere gebe. Er hat sich alles über die Haltung von Alpakas angelesen, bevor er sich die Tiere gekauft hat, und tauscht sich regelmäßig mit anderen Halter:innen aus. Auch die Tierärzt:innen müssen sich fortbilden, da diese Kamelart nicht regelmäßig in die Sprechstunde kommt. Bei meinen drei Alpakawanderungen wurde auf den Höfen immer mit viel Liebe und Respekt über die Tiere gesprochen wird. Und die Alpakas hatten augenscheinlich ausreichend Auslauf und Rückzugsmöglichkeiten.

Rein theoretisch könnte in Deutschland jede:r Alpakas halten, wenn er oder sie gewisse Auflagen zur Größe des Geheges einhält. Da die Tiere in Deutschland meist im Hobbybereich eingesetzt werden, ist die Qualität der Unterbringung und das Wohlergehen der Tiere elementar wichtig für die Tierhalter.

 

Alpakas sind aber trotz ihres Aussehens keine Kuscheltiere.

 

Alpakas sind aber trotz ihres Aussehens keine Kuscheltiere. Sie sind im Gegenteil sogenannte Distanztiere und eher scheu und zurückhaltend. Und tatsächlich laufen die Alpakas recht gleichmütig mit gebührendem Abstand neben uns her, und erst nach einer gewissen Kennenlernphase kann ich Lukas am Hals streicheln. Sobald es ihm genug ist, zieht er sich zurück und hält wieder Abstand. In friedlicher Koexistenz laufen wir beide so den Waldweg entlang. Als wir etwas den Anschluss zur Gruppe verlieren, trabe ich los. Witzigerweise trabt er auch mit, und als ich anfange, zu lachen, schaut er mich etwas irritiert an, worüber ich fast noch mehr lachen muss. Wahrscheinlich eine rein menschliche Interpretation seines Blickes, und mein Lachen war ihm einfach zu laut.

Also bin ich wieder still und genieße anschließend unser gemeinsames Schweigen im Wald sehr. Achim erzählt uns, dass Schulklassen meist ziemlich aufgekratzt auf dem Hof ankämen und es manchmal etwas Gerangel um die Tiere gebe. Aber am Ende der Tour würden die Lehrer:innen die Kinder oft kaum wiedererkennen, weil sie ganz ruhig neben den Tieren herliefen und sich friedlich beim Halten der Leine abwechselten.

Graues Alpaka

Satte Alpakas gibt es nicht

Da Alpakas ungefährlich sind, sind die Wanderungen auch für kleine Kinder (ab sechs) geeignet. Alpakas haben nämlich keine Zähne am Unterkiefer, sondern eine Kauplatte. Spucken können sie wie die verwandten Lamas aber schon. Aber selbst das kommt eher selten vor und meistens nur beim Streit ums Essen – denn Alpakas sind sehr verfressen. Mein Spruch des Tages: Ein sattes Alpaka gibt es nicht. Und so halten die Alpakas auch immer wieder während des Spazierganges an, um am Wegesrand etwas zu fressen. Manches bekommt ihnen nicht gut, zum Beispiel Efeu und Erbe. Deswegen versuche ich Lukas davon abzuhalten, Grünzeug zu fressen, das ich nicht identifizieren kann – mit eher mäßigem Erfolg.

Achim, der von Hause aus Bauingenieur ist, erzählt uns dann noch, wie er überhaupt zu diesen Tieren kam. Treibende Kraft war sein Frau Annelies, Tochter von Landwirten mit besonderem Bezug zu Tieren, die sich auf einer Landwirtschaftsmesse in die Alpakas verliebt hatte. Es sollte noch eine Zeit lang dauern, bis sie ihren Mann davon überzeugen konnte, ein Pärchen für den Hof zu kaufen. Dabei ging es ihr um ein rein privates Hobby.

Als eine ältere Dame aus der Nachbarschaft ihr angrenzendes Land an die Liesegangs verkaufen wollte, kam eins zum anderen. Sie kauften bei einem befreundeten Züchter zwei Tiere. Einige Wochen später kam dieser mit einem Hänger vorbei und brachte acht Tiere mit. Wegen Umbaumaßnahmen auf dem eigenen Hof bat er das Ehepaar, sich vorübergehend um die anderen Tiere zu kümmern. Da die Liesegangs ein volles Haus gewöhnt sind, haben sie nicht lange überlegt und zugestimmt – der Rest ist Geschichte. Die Alpakagäste blieben auf dem Hof. Heute haben die Liesegangs neun Stuten und zwei Hengste und bieten regelmäßig Wanderungen mit den Tieren an. Man kann auf dem „Alpakahof Pausin“ Geburtstage oder Betriebsfeste feiern, es gibt Winterwanderungen mit Stockbrot und Glühwein, Hoffeste mit rockiger Musik, auf die Achim steht, oder Yoga mit den Alpakas. Dabei schauen die Tiere mehr oder weniger interessiert während der Asanas zu und essen – was sonst?

Alpaka frisst
Alpaka in Pausin

Therapeutische Wirkung und friedlicher Charakter

Nichts davon war geplant, und doch passt hier alles gut zusammen: die unaufgeregte und bodenständige Art der Liesegangs, ihre Gastfreundschaft und ihr Humor. Die entspannten Tiere, in deren Gegenwart man selbst entspannt. Alpakas werden wegen ihres ruhigen und friedlichen Charakters auch in der tiergestützten Therapie eingesetzt. Und daher kommt der vielleicht etwas komisch anmutende Vergleich mit den Delfinen, denen ja auch eine therapeutische Wirkung für teils schwerkranke Menschen zugesprochen wird.

Nach zwei Stunden auf dem Hof und den Bauch voller selbst gebackenem Kuchen kehre ich glücklich in die Stadt zurück und erzähle noch lange von den außergewöhnlichen und lustigen Momenten mit „meinem“ Alpaka. Wer noch nicht in die Stadt zurück möchte, kann unweit des Hofes auf dem Rückweg in Annas Haus übernachten und dort den Tag im Garten ausklingen lassen und noch mal über die „Delfine der Weide“ sinnieren.

Danke an die Familie Liesegang, Lukas, Fleckchen, Chocolat, Mathilde und die anderen für den schönen Tag. Weitere Infos gibt es hier.

Geraldine arbeitet als freie Autorin für Good Travel und hat gerade eine Ausbildung zur Nachhaltigkeitsmanagerin absolviert. Nach zwanzig spannenden Jahren beim Film, widmet sie sich jetzt hauptberuflich ihren anderen Leidenschaften – Reisen, Essen und Design.

4 Comments

  • Elisabeth Klein-Altstedde

    Sehr schöne Berichterstattung.
    Da bekommt man sofort Lust auf alles.
    Freue mich jedesmal aufs Neue über Geraldines Berichte.
    Sie sind immer wunderbar zusammengefasst und lesen sich nicht langweilig.

    • Geraldine Voss
      Geraldine Voss

      Vielen lieben Dank!! Ich freue mich sehr über das wunderschöne Feedback. Liebe Grüße, Geraldine

  • Jan

    Toller Bericht, sehr aufschlussreich. Und gut geschrieben sowieso. Man will da sofort auch mal hin. Nur eine Frage bleibt unbeantwortet: wie schmecken Alpaka?

    • Geraldine Voss
      Geraldine Voss

      Danke & interessante Frage – in den Herkunftsländern wie Peru, Chile und Bolivien wird Alpakafleisch natürlich auch gegessen. Es soll nach Wild schmecken und ist Cholesterinarm. Die Alpaka-Wolle ist aber für die Bauern viel ertragreicher. Da ich Vegetarierin bin, werde ich dazu keine persönliche Erfahrung beisteuern können 😉 Liebe Grüße, Geraldine

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