Blog I Good Travel

Fomo Reisen Urlaub

Fomo auf Reisen

Fear of Missing out – wie geht man mit zu großen Urlaubserwartungen um? Unsere Autorin Nadine macht den Selbsttest.

 

Während ich in der Sonne unter Palmen liege, mein Buch und die Ruhe genießen könnte, kann ich nicht aufhören, daran zu denken, dass ein Teil der Gruppe soeben surfen ist. „Verpasse ich gerade die Welle meines Lebens?“ schießt es mir durch Kopf. Wahrscheinlich nicht, denn die Bedingungen sind heute nicht optimal. Genau aus diesem Grund habe ich mich für einen ruhigen Nachmittag auf der Terrasse meiner Unterkunft entschieden. Die Sonne kitzelt mich an der Nase und der frisch gepresste Orangensaft in meiner Hand gibt mir ein süßes Gefühl von Leichtigkeit. Alles perfekt. Warum also habe ich dennoch den Eindruck, dass hier zu liegen mich gerade so viel verpassen lässt? Wellen gibt es schließlich morgen auch noch, und übermorgen, und in zwei Wochen. Ich bin einen Monat hier, ich muss also nicht alle Aktivitäten dieses Ortes in wenige Stunden pressen. Gestresst fühle ich mich dennoch. Schließlich habe ich mir Videos von diesem Surfspot bereits Wochen, bevor ich hierherkam, angesehen und sollte doch nun eigentlich jede Sekunde dort draußen in den Wellen verbringen, oder?

Surfen

Über Erwartungshaltungen und Fremdbestimmung

Das Gefühl, diese Angst, etwas zu verpassen, hatte ich in der Vergangenheit schon sehr oft. Das, was da in mir vorgeht, hat auch einen Namen: FOMO, also Fear of Missing out. Das Cambridge Dictionary beschreibt dieses Phänomen als das besorgte Gefühl, dass man aufregende Veranstaltungen und Aktivitäten verpassen könnte, zu denen andere Leute gehen. Britische Forschende fanden 2013 in einer Studie heraus, dass FOMO stark mit unserer Social-Media-Nutzung einhergeht. Nutzt man Instagram, TikTok und Co häufig, entsteht dadurch ein hoher Erlebnisdruck. Unsere Erwartungshaltung bezüglich gewisser Ereignisse oder des Lebens allgemein verschiebt sich dadurch immens. Auch (und vor allem) auf Reisen kommen wir dem nicht aus: Wir sehen vor unserem Trip Reels, Beiträge und Storys von anderen Personen, die den Ort, den wir bereisen, bereits kennengelernt haben und entwickeln dadurch eine gewisse Vorstellung, wie es sein soll und was wir dort erleben müssen. Und: Je häufiger wir anderen dabei zusehen, wie sie die Welt entdecken und Dinge unternehmen, umso wahrscheinlicher haben wir Angst, etwas zu verpassen.

Fomo unterwegs

FOMO zuhause ≠ FOMO auf Reisen

FOMO nimmt unterwegs bei mir definitiv öfter Überhand als zuhause im Alltag. Daheim fällt es mir vergleichsweise relativ leicht, auf einen Abend in der Bar mit Freund:innen zu verzichten oder am Wochenende nicht auf dieses eine Event, das auf Instagram angekündigt wurde, zu gehen und stattdessen auf der Couch Serien zu schauen. Auf Reisen und bei Ausflügen sieht die Sache etwas anders aus. Wieso? Nun ja, zuhause ist immer da, in die Bar kann ich jederzeit. Das Event wird es vielleicht nochmal geben. Auf Reisen ist die Zeit begrenzt. Möglicherweise sieht man einen Ort nur einmal und kommt nie mehr zurück. Ganz klar, dass man aus den wenigen Tagen oder Wochen das meiste rausholen will.

Fomo unterwegs

Im Kopf überall anders, nur nicht im Jetzt

Ihr fragt euch an der Stelle vielleicht, was denn eigentlich so schlimm daran ist, dass man während einer Reise möglichst viel erleben will und gewisse Vorstellungen hat, wie alles ablaufen soll? Ist doch eigentlich völlig legitim, oder? Ja schon, aber: Wenn man immer daran denkt, was man gerade nicht tut, dann vermiest einem das meistens das, was man gerade tut. Das Leben im Moment geht verloren. Das Jetzt kann nie gut genug sein. Gedanklich ist man immer schon beim nächsten Abenteuer, bei der nächsten Aktivität, die man noch irgendwie unterbringen will – gefangen in diesem endlosen Karussell, das sich ständig um die Frage dreht „Gibt es etwas, das ich gerade eher tun sollte?“. Die Antwort lautet Nein. Es ist gut, so wie es ist. Wir müssen nicht eins zu eins den Trip erleben, den irgendjemand auf Social Media bereits erlebt hat. Man will ja schließlich auch noch seine eigenen Erfahrungen sammeln und nicht blind das nachmachen, was man irgendwo gesehen hat.

FOMO abstellen – geht das?

Doch was tut man nun, wenn man merkt, dass man bei einer Reise ständig allem hinterherjagt und immerzu empfindet, dass man etwas versäumt? Eine einfache, aber sehr effektive Lösung: weniger Zeit auf Social Media verbringen. Für eine Reise wieder mehr offline recherchieren, sich ganz „oldschool“ einen Reiseführer kaufen oder Tipps von Freund:innen einholen. Auch während dem Reisen sollten wir weniger Zeit auf sozialen Netzwerken verbringen, sei es, um Fotos oder Videos zu posten oder zum Recherchieren. Lieber mal die Locals oder andere Reisende nach Empfehlungen fragen. Dabei bekommt man auch häufig eine weitaus ehrlichere Meinung zu gewissen Orten und Aktivitäten und keine gefilterte und geschönte Social Media Darstellung.

JOMO statt FOMO

Aus dieser Art zu reisen, ergibt sich dann im besten Fall JOMO, die Gegenphilosophie zu FOMO. Wir setzen JOMO, also Joy of missing out, um, indem wir uns von sozialen Netzwerken und anderen digitalen Ablenkungen distanzieren, ruhige Momente zelebrieren und auf die eigenen Bedürfnisse hören, anstatt das zu tun, was Social Media und Co uns vorgeben wollen. Denn ganz ehrlich: Am Ende wird genau nichts Negatives passieren, wenn wir diese eine Sache im Urlaub, von der wir überall gelesen haben, nicht machen. Das Leben geht weiter. Wir erleben vermutlich zu einem anderen Zeitpunkt andere ebenso tolle Dinge. Und sowieso: Wenn sich das Jetzt gerade gut anfühlt, wieso dann überhaupt darüber nachdenken, was sich vielleicht noch besser anfühlen würde? Bigger, better, faster hat mit nachhaltigem und bewusstem Reisen ohnehin nichts zu tun. Ich rufe mir, auf der sonnigen Terrasse sitzend, also ins Gedächtnis, dass die gute Wellen auch morgen nochmal kommen. Oder möglicherweise beim nächsten Surftrip. So oder so, verpassen werde ich bestimmt nichts. Denn mit meinem kühlen Saft und meinem spannenden Buch habe ich eine ebenso gute Zeit wie auf meinem Surfboard.

Jomo statt Fomo

© Fotos: Nadine Pinezits

Nadine ist freiberufliche Redakteurin und Texterin. Sie lebt in Österreich und pendelt zwischen Salzburg, der Steiermark und Wien. Sie ist somit entweder in den Bergen oder im Großstadtdschungel unterwegs, versucht aber gleichzeitig, so viel Zeit wie möglich in ihrem Herzensland Portugal zu verbringen.

1 Comment

  • Kai

    Mir ging das beim Fotografieren im Urlaub so. Ständig habe ich versucht den Moment einzufangen, anstatt ihn intensiv zu genießen.

KOMMENTAR

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert