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Offline Institute Gründerin Linda Meixner

Handy aus, Leben an: Wie eine Vorarlbergerin anderen hilft, achtsamer mit ihren Smartphones umzugehen

Das „Offline Dorf“ im Vorarlberger Gargellen ist die weltweit erste Urlaubserfahrung die wissenschaftlich fundiert einen nachhaltig gesunden Umgang mit Smart Devices fördert. Fünf Tage digital Detox: völlig offline sein, dafür umgeben von ganz viel Natur, Entspannung und guten Gesprächen. Wir haben Offline Institute Gründerin Linda Meixner zum Interview gebeten und mit ihr über ihren Selbstversuch ohne Smartphone, die Idee zur Gründung des Offline Dorfes sowie über ihre Tipps für einen achtsamen Umgang mit dem Handy gesprochen.

Linda Meixner
Im Offline Dorf Gargellen
Offline-Dorf in Gargellen

Nadine:

Deine Reise zu einem bewussteren Handykonsum begann mit einem Selbstversuch: 66 Tage Smartphone-Abstinenz. Was hat dich ursprünglich dazu veranlasst?

Linda:

Ich war beziehungsweise bin ja Content Creatorin im Outdoor-Bereich. Irgendwann habe ich gemerkt, wie die immense Bildschirmzeit dazu geführt hat, – es waren an die 60 Stunden pro Woche – dass ich keine Grenzen mehr zwischen Arbeit und Freizeit wahrgenommen habe. Die viele Zeit, die ich am Smartphone verbracht habe, hat mich als Mensch verändert. Ich war nicht mehr so gern unter Leuten, fühlte mich bewertet und hatte das Gefühl, dass ich immer so aussehen muss wie auf meinen Bildern. Es ging dann sogar so weit, dass ich mit psychosomatischen Folgen zu kämpfen hatte. Ich erlitt eine Lähmung an der rechten Schulter und habe mich an dem Punkt gefragt, was denn so schwer in meiner rechten Hand liegt. 

Ab diesem Zeitpunkt wollte ich wissen, wer ich als Mensch ohne mein Handy bin. Das war dann auch der Startschuss für meinen Versuch. Begleitend zu meinem Handyverzicht habe ich eine systemische Psychotherapie gemacht, um zu schauen, was dieser Entzug mit meiner Psyche macht.

Nadine:

Und was hat es mit dir konkret gemacht? Was waren deine Learnings?

Linda:

Der ganze Versuch war ein langer Weg, angefangen mit radikaler Konfrontation über den kalten Entzug bis hin zu der Veränderung. Ich bin mir selber wieder nahegekommen, habe wieder gewusst, wer ich bin und habe wieder begonnen, kreativ zu werden. Ich hatte wieder viel bessere Tiefschlafphasen. Außerdem war ich viel mehr im Moment, meine Zeitwahrnehmung hat sich verändert und die Tage dauerten plötzlich wieder viel länger und wurden intensiver. Auch meine Sinne haben sich geschärft, ich habe das Hier und Jetzt wieder viel mehr wahrgenommen und Konversationen wieder intensiver erlebt. Mir ist klar geworden, dass wir uns immer nur alles anschauen und nichts mehr selbst erträumen. Am Anfang ist dieser Wandel nicht leicht, aber dann wird’s ganz toll. Man kommt sich wieder so viel näher und hat einfach die krassesten Glücksgefühle und das treibt mich bis jetzt sehr an. Man kriegt einfach einen anderen Blick auf das Gerät. Ich denke, das muss man selbst erlebt haben. 

Wie kann es zu einer Handysucht kommen?

Nadine:

Unsere Geräte sind smart, unser Umgang damit eher nicht. Woran liegt es deiner Meinung nach, dass wir unsere Devices nicht achtsam verwenden und sogar manchmal (unbewusst) in die Handysucht schlittern?

Linda:

Eigentlich sind das ja Narrative aus der Alkohol- und Nikotinindustrie. Denn wir sind selbst oft gar nicht ganz dran schuld daran, dass wir in die Handysucht schlittern. Das Gerät und auch viele Apps, die wir verwenden, sind ja schon so konzipiert, dass wir möglichst viel Zeit damit verbringen. Grundlegend ändert sich aber erst etwas an unserem Umgang, wenn sich in diesen Datengeschäftsmodellen auch etwas ändert.

Sowas dauert natürlich lange, deshalb ist es meine Mission, aufzuzeigen, was man tun kann, um sich zu schützen oder um sich eine Resilienz aufzubauen gegen diese digitalen Technologien. Da gibt es viele Ansätze und Untersuchungen – soziale Kontakte, Sport und Bewegung schütten auch Dopamin aus und sorgen für ein Sättigungsgefühl – das heißt, dass ich es mir dann nicht mehr so sehr über das Gerät holen muss.

Nadine:

Angeblich verbringt man 2 Monate im Jahr am Handy. Bei mir löst das was aus, es schockiert mich. Dennoch greife ich eine halbe Stunde später wieder zum Handy. Was braucht es deiner Erfahrung nach, um diesen Wandel zu vollziehen, einen achtsameren Umgang mit unserem Handy zu finden?

Linda:

Dem Menschen fällt eine Verhaltensveränderung einfach schwer. Bis sich eine Verhaltensveränderung einstellt, dauert es im Schnitt 66 Tage. Ich glaube, es braucht schon eine Initialzündung, am besten unter Gleichgesinnten. Am besten findet das in einem Rahmen statt, der einen vor der eigentlichen Verzichtsphase schon darauf vorbereitet, damit es nicht so ein harter Entzug wird.

Digital Detox – wie kann das funktionieren?

Nadine:

Genau das macht ihr mit dem Offline Dorf, oder?

Linda:

Ja, beim Offline Dorf bieten wir genau das an. Es gibt es eine 10-tägige Vorphase, wo wir uns auf die Offline-Zeit vorbereiten. Der eigentliche Detox dient dann als Initialzündung. Wir versuchen in der Zeit bestimmte Kombinationen herzustellen mit Bewegung, Entspannung, sozialem Austausch, Kreativität und Reflektion und sind auch die ganze Zeit über mit der Natur verbunden. Bis zu 30 Tage danach gibt es dann noch weitere Impulse, um zu garantieren, dass man auch wirklich dranbleibt. Wir versuchen so viel Hilfestellung wie möglich zu geben, aber schlussendlich liegt es an jedem selbst, das eigene Verhalten zu ändern.

Nadine:

Für wen ist das Offline Dorf gedacht?

Linda:

Das erste Offline Dorf ist für alle, die einen smarten Umgang mit smarten Geräten lernen wollen, die sich danach sehnen, abzuschalten und aufzuladen und Mensch zu sein. Das Ganze geschieht unter Gleichgesinnten, mit evidenzbasierten Erkenntnissen und mit der Hilfestellung von verschiedenen Expert:innen aus den Bereichen Sportwissenschaft, Gesundheitstourismus, Ernährung, Digital Balance und Stressmanagement. Das Offline Dorf ist ein Digital Balance Tourismuskonzept, dass es weltweit so noch nicht gibt. Für die, die das im September erleben werden, wird es sehr verändernd sein.

Nadine:

Wie sieht dein persönlicher Umgang mit deinem Handy aus?

Linda:

Ich habe seit meinem Versuch eine ganz andere Wahrnehmung von meinem Gerät und das hat sich auch nie wieder verändert. Das heißt, wenn ich Tage habe, an denen ich es viel nutze, merke ich in meiner Psyche den Unterschied und dann versuche ich, es wieder weniger zu verwenden. Ich bin nie wieder auf diese 60 Stunden von früher gekommen. Ich habe die Liebe zu dem Gerät nicht mehr und nutze es einfach anders. Ich habe ja die gleichen Probleme wie alle: In Stressphasen versucht man über das Handy irgendetwas zu regulieren, was aber nur Schein ist. In der Psychologie heißt das Regulationsemotion. Dadurch, dass wir mit dem Handy ständig versuchen, unsere Emotionen, wie Stress oder Trauer zu unterdrücken, kommen wir gar nicht mehr in tiefere Emotionsphasen. Wir scrollen das einfach weg.

Ich merke, dass hier bereits ein Umdenken geschieht, aber die gesundheitlichen Folgen sind noch nicht so signifikant, dass im größeren Stil etwas passiert. Und wie das so oft ist: Wir machen immer erst dann etwas, wenn ein Problem schon da ist. Meine Arbeit setzt aber schon vorher an. Ich versuche eine Gesundheitsförderung aufzubauen, das Problem schon zu stabilisieren, bevor es überhandnimmt und Richtung Sucht geht.

Prävention statt Suchtbehebung

Nadine:

Was rätst du Leuten, die den Umgang mit ihrem Smartphone gerne nachhaltig verbessern möchten?

Linda:

Smartphonefreie Räume und Plätze schaffen, Smartphonelose Zeiten festlegen und das Smartphone lieber eine gewisse Zeit am Stück nutzen und nicht immer wieder stellenweise den ganzen Tag über. Ich würde auch empfehlen, die Pushnachrichten auszuschalten und an der Kommunikation mit anderen etwas zu ändern. Ich sage da zum Beispiel oft „Es tut mir leid, dass ich das Gerät jetzt in die Hand nehme“ und mache mein Umfeld so bewusst darauf aufmerksam, dass es nicht normal ist, während eines Gesprächs einfach mal so zum Handy zu greifen.

Nadine:

Wir bei Good Travel stehen für achtsames Reisen. Welche Tipps hast du für einen nachhaltigen Umgang mit unseren Devices unterwegs und im Urlaub?

Linda:

Ich finde, wir sollten uns die Momente, die wir auf Reisen erleben, viel mehr auf die Netzhaut einbrennen anstatt sie mit unseren Handys einzufangen. Ich versuche Momente ganz bewusst wahrzunehmen, zu atmen und alles um mich herum einzusaugen anstatt ein Bild oder Video zu machen, dass ich mir vielleicht eh nie wieder anschaue. Wenn ich fotografieren will, dann konzentriere ich mich auch wirklich auf die Fotografie selbst, tauche in den kreativen Prozess ein und nehme mir wirklich die Zeit dafür.

© Fotos: Buero Ludwina

Nadine ist freiberufliche Redakteurin und Texterin. Sie lebt in Österreich und pendelt zwischen Salzburg, der Steiermark und Wien. Sie ist somit entweder in den Bergen oder im Großstadtdschungel unterwegs, versucht aber gleichzeitig, so viel Zeit wie möglich in ihrem Herzensland Portugal zu verbringen.

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