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Essenza Sardenga

Fünf Orte auf Sardinien für ein langes Leben

Sardinien gehört neben Okinawa (Japan), der Nicoya-Halbinsel (Costa Rica), Ikaria (Griechenland) und Loma Linda (Kalifornien) zu den fünf sogenannten Blue Zones, in denen die Menschen besonders alt werden. Diese Regionen stehen deswegen auch unter besonderer wissenschaftlicher Beobachtung. Man geht davon aus, dass die ungewöhnliche Häufung von über Hundertjährigen damit zusammenhängt, dass sie besonders regional, saisonal und naturbelassen essen, sich viel an der frischen Luft bewegen, ihre kulturellen Traditionen pflegen und ein starkes und intaktes Sozialgefüge haben. Bei den Sarden hat unter anderem die Schafzucht viele Jahrhunderte für ausreichende Bewegung gesorgt. Die Tradition der Cucina Poverta (wörtlich „Küche der Armen“), die hier zelebriert wird, ist besonders gesund, weil nur selbst gemachte Produkte, regionales Gemüse und lokales Fleisch oder Fisch auf den Tisch kommt. Dazu gibt es immer viel Olivenöl und natürlichen Honig statt Zucker zum Süßen.

Der Inselstatus ermöglichte es den Sarden zudem einige Traditionen scheinbar länger vor äußeren Einflüssen zu bewahren und damit auch eine andere Art von Tourismus anzuziehen – sehr naturverbunden und authentisch. Lediglich an der Costa Smeralda reihen sich die Clubs und Yachten der Superreichen aneinander, weil Sardinien ein idealer Zwischenstopp bei Mittelmeer-Segeltörns ist. Dem Rest der Insel ist das Treiben im Nordosten aber relativ egal. Im Gegenteil, die Sarden haben es geschafft ihre schöne Insel weitestgehend vom Massentourismus fern zu halten und durch besondere Unterkünfte den Charme des Ursprünglichen zu erhalten. Fünf besondere Orte und Unterkünfte möchten wir hier vorstellen und vielleicht kommen wir ja dem Geheimnis für ein langes Leben näher…

Meer Sardinien
Italien Flair

1.    Il muto di Gallura – Ein Agriturismo mit Geschichte(n)

Ein Agriturismo ist ein meist noch aktiver Bauernhof, der mit den Vermietungen an die Feriengäste zusätzlich Geld verdient. Das Schöne an dieser Art von Unterkunft ist, dass es in der Regel Familienbetriebe sind, die schon lange in der Hand der Familie sind und man neben dem sehr guten Essen auch noch die ein oder andere Geschichte erfährt. Die Produkte, die im Restaurant verwendet werden, sind meist aus eigenem Anbau.

Im „Il muto di Gallura“ sind der Käse, die Pasta und der Wein selbst gemacht. Wirklich gut sind deswegen auch die hausgemachten Ravioli mit Ricotta-Füllung und der Rotwein aus biologischem Anbau. Häufig stehen drei Generationen hinterm Herd und die Rezepte sind gut gehütete Familiengeheimnisse. Vor dem Essen kann man in der untergehenden Sonne über das weitläufige Gelände schlendern, schaukeln und die Esel, Hühner, Ferkel oder Kühe besuchen. Nach dem Essen begleiten uns die freundlichen Hunde bis zum Ferienhaus zurück. Das ist auch besser so, denn der Rotwein zeigt seine Wirkung und man fällt sehr glücklich sehr und müde ins Bett.

Die Hütten im Korkeichenwald sind herrlich kühl und eher rustikal im sardischen Stil eingerichtet. Die Zimmer im Gebäude ebenso. Der Frühstücksraum im Haupthaus, wo das hervorragende Frühstück mit selbstgemachten Kuchen, Marmeladen und Käse serviert wird, gleicht einer Puppenstube mit vielen großartigen alten Fotografien der Familie und ihrer Vorfahren. Seit 1987 vermietet die Familie Zimmer an Feriengäste – übrigens als eine der ersten Bauernfamilien der Insel. Der Name des Agriturismo (und des gleichnamigen Romans von Enrico Costa) ist von einem Streit vor über zweihundert Jahren zwischen zwei Hirtenfamilien hergeleitet, bei dem es einige Opfer zu beklagen gab. Heutzutage geht es hier aber sehr friedlich und entspannt zu.

Zum nächsten Strand sind es circa dreißig Minuten über eine wenig befahrende Landstraße zwischen Olivenbäumen und Granitfelsen. Der Ort Aggius ist nicht weit entfernt und trägt zu Recht eine Auszeichnung für die besonders harmonische Gestaltung der Altstadt. Man fühlt sich hier sofort wohl. Das Leben spielt sich auf der Straße ab und schon bei der Parkplatzsuche schließt man Freundschaft mit den Einheimischen, die einen mit Park-Tipps versorgen. Es gibt ein paar gute Restaurants und Eisdielen. Das köstliche Essen ist definitiv eines der Geheimnisse für das lange Leben der Sarden.

Agriturismo Sardinien

2.    Aquae Sinis – Ein verstreutes Hotel

Aquae Sinis“ ist ein sogenanntes Albergo Diffuso – übersetzt eine „verstreute Unterkunft“. In ganz Italien gibt es mittlerweile über hundert solcher Orte. Mal luxuriöser, mal sehr einfach. Meistens haben bei diesem Konzept die Bewohner:innen die Initiative ergriffen, um wieder Leben in ihre Städte und Dörfer zu bekommen und dabei ihre historischen Gebäude und Traditionen zu erhalten. Das Konzept ist genauso visionär wie nachhaltig. Es darf nichts Neues gebaut werden, die Original-Struktur des Ortes muss genutzt und erhalten werden und die einzelnen Zimmer und Bereiche dürfen nicht mehr als hundertfünfzig Meter von der Rezeption entfernt liegen. Die Straße ist sozusagen der Hotelflur und die Trattoria an der Ecke ist die Hotelbar. Die Gäste kommen so noch intensiver mit den Einheimischen in Kontakt kommen.

In Cabras setzt sich das Hotel aus vier Gebäuden zusammen, die unterschiedliche Funktionen haben. Das Haupthaus („Thermae“) mit der Rezeption hat einen warmen Innenpool mit Jacuzzi, ein türkisches Hamman, eine finnische Sauna, einen Ruheraum und Naturkosmetische Anwendungen. Das Haus „Mistras“ hat einen herrlichen Pool und einer natürlichen Gartenanlage mit wilden Kräutern und Sträuchern. Das Haus „Pontis“ liegt direkt daneben und sowohl der lauschige Innenhof, als auch die coole Dachterrasse laden zum Verweilen ein. Auf der Terrasse gibt es dann auch das hervorragende Frühstück. Seit 2018 gehört noch ein viertes Gebäude („Lagoon“) zum Hotel. Hier gibt es eine große Terrasse von der man die Vögel der Lagune beobachten kann. Alles ist geschmackvoll eingerichtet mit einem gelungenen Mix aus Antiquitäten, Designermöbeln und vielen Blumen.

Cabras ist ein traditioneller Fischerort an der Westküste Sardiniens und bekannt für seine Fischerlokale und die Spezialität „Bottarga di Cabras“, die als „sardischer Kaviar“ bezeichnet wird. Der Rogen wird gesalzen, gepresst und in der Sonne getrocknet. Der Geschmack ist sehr würzig bis rauchig. Kredenzt wird der Fisch meist über Pasta gerieben oder als Vorspeise mit Tomaten, Öl und Zwiebel in dünnen Scheiben serviert.

Am Lagunen-See steht die wunderschöne Renaissance-Basilika Santa Maria, die man von der Dachterrasse des Albergos aus nächster Nähe bewundern kann. Im Museo Civico gibt es Ausstellungen zur Kultur, Ökologie, Flora und Fauna des Sees. Die Strände in der Umgebung sind wild und windig, da die Westseite der Insel insgesamt rauer ist. Zudem ist die Westküste noch traditioneller und der eigene Dialekt namens „Sardu“ wird hier lebendig gehalten.

Vielleicht ein weiteres Geheimnis für das lange Leben auf der Insel – die kulturelle Identität wird wertgeschätzt, gepflegt und weitergegeben an die junge Generation.

3.    Omu Axiu – Ein sehr lebendiges Freilichtmuseum

Mitten im Landesinneren, wo die Menschen besonders alt werden, befindet sich das „Omu Axiu“ in einem Ort namens Orroli. Ein über zweihundert Jahre altes Gebäude, das Freilichtmuseum, Restaurant und Hotel ist. Orroli ist ein kleiner, etwas unscheinbarer Ort, der neben seinem Stausee vor allem dafür bekannt ist, dass er eine Station auf der Schmalspur- Bahnstrecke von Mandas nach Arbatax ist. Der sogenannte „Trenino Verde“ fährt in den Sommermonaten durch wunderschöne Landschaften.

Der ganze Hof des „Omu Axiu“ ist sehr gut erhalten und familiengeführt. Am Abend beleuchten Kerzen, Fackeln und Lichterketten den Innenhof und man muss unweigerlich an eine Filmkulisse denken. Vor dem gebuchten Abendmenü führt uns die quirlige Hotelchefin durchs Museum und gibt uns eine exklusive und lebendige Führung. Sie setzt sich an alte Nähmaschinen und Spinnräder und imitiert deren Funktion, sie demonstriert das Kochen auf dem alten Holzofen, zieht sich schnell die alten Trachten über, betätigt pantomimisch die historische Nudelmaschine und zeigt uns einfach alles. Dabei plaudert sie herrlich die ganze Zeit auf Italienisch. Wir verstehen wenig und haben trotzdem viel Spaß zusammen. Dieser herzerwärmende Humor ist sicherlich ein weiteres Geheimnis für eine sehr langes und glückliches Leben.

Das anschließende Menü ist sensationell gut. Jedes Produkt wird hier selbst hergestellt. Die Gerichte sind einfach, weil die sensationellen Produkte im Mittelpunkt stehen sollen. Im Hof ist es ganz still und nach den Schwalben fliegen erste Fledermäuse zwischen den Mauern hin und her. Ich meine sogar ihre Flügel schlagen zu hören – ein wirklich magischer Ort.

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4.    Albero Capovolto – Ein moderner Gastgeber mit Tradition

Alessandro Israelachvili hat aus seinem Elternhaus eine regelrechte Oase gemacht. Die wunderschöne Anlage schmiegt sich an grüne Hügel und alles ist hier so geschmackvoll und mit jeder Menge Kunst- und Designaffinität und Liebe zum Detail gestaltet. Jede Vase mit Blumenarrangements und jedes Coffeetable-Buch steht oder liegt hier an der richtigen Stelle, ohne dass man das Gefühl bekommt, nichts anfassen zu dürfen. Im Gegenteil alles ist offen und einladend. Schon beim Betreten des Haupthauses weht uns eine angenehme Brise entgegen. Das Meer ist nicht weit entfernt. Die freundliche Dame bietet uns erstmal ein Getränk an und führt uns übers Gelände. Der gepflegte Garten- und Poolbereich mit tollen Daybeds, schattenspenden Tüchern als Baldachin und diversen Sitzmöglichkeiten haut uns um. Wir sind nachmittags fast alleine am Pool und es herrlich ruhig. Die anderen Gäste kommen später von ihren Tagestouren zurück.

Aus der „Honest Bar“ genehmigen wir uns am Abend einen Wein und werden über das vegetarische Menü informiert, dass schon stundenlang in der Küche vorbereitet wurde. Beim Abendessen kommen wir mit einem netten Paar aus Deutschland ins Gespräch, die bereits zum dritten Mal hier sind. Als plötzlich ein Gewitter aufzieht helfen alle Gäste gemeinsam die Tücher und Polster einzusammeln, bevor es richtig stark zu regnen beginnt. Aus dem Abendessen im Garten wir ein kuscheliges Beisammensein in der Lobby, die wie ein Wohnzimmer gestaltet ist. Und so kommen alle miteinander ins Gespräch und schwärmen von der unglaublichen Natur der Insel, die sicher ein weiteres Geheimnis für das Glück und die Zufriedenheit der Sarden ist.

5.    Essenza Sardegna – die Essenz des Ganzen?!!

Das Essenza Sardegna in Torpé ist eine ganz ungewöhnliche Unterkunft. Hier kommt alles zusammen, was man für ein langes Leben braucht. Ein Freiluft-Wohnzimmer zwischen den Bäumen, naturbelassenes Essen, viel wilde Natur, kein Handy-Empfang, beruhigende Gerüche und Farben in den Zimmern und nachts hört man nur Hunde bellen, während die Sterne über einem am Himmel funkeln.

Essenza Sardegna
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Geraldine arbeitet als freie Autorin für Good Travel und hat gerade eine Ausbildung zur Nachhaltigkeitsmanagerin absolviert. Nach zwanzig spannenden Jahren beim Film, widmet sie sich jetzt hauptberuflich ihren anderen Leidenschaften – Reisen, Essen und Design.

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