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Clean up

INA WO(A)NDERS: was bringen Beach-Clean-Ups?

Jedes Jahr landen 10 Millionen Tonnen Plastik in unseren Meeren – eine Flut, gegen die ein Mensch allein sicher nicht viel ausrichten kann. In dieser Kolumne erzählt unsere Autorin Ina, warum sie trotzdem weiterhin Strände von Plastikmüll befreit und Teil von Beach-Clean-Ups ist.

Beach-Clean-Ups sind für mich, seit ich die Küsten Europas per Segelboot erkunde, zu einer Gewohnheit geworden.

15 PET-Flaschen, 7 Plastiktüten, ein Spielzeugauto, jede Menge Styropor, ein Feuerzeug: An einem herrlichen Frühlingsmorgen in Marina di Ragusa auf Sizilien sammelte ich während meines morgendlichen Strandspaziergangs mal wieder Müll ein. Beach-Clean-Ups sind für mich, seit ich die Küsten Europas per Segelboot erkunde, zu einer Gewohnheit geworden. Oft empfinde ich sie sogar als meditative Tätigkeit, die mir hilft, mich zu sortieren, wenn ich mich im Inneren unaufgeräumt fühle. Dabei sehe ich außerdem – anders als beim Buchstabenjonglieren am PC – innerhalb kürzester Zeit, was ich geschafft habe. Und habe Gelegenheit, ausgiebig über die Welt, unsere Konsumgesellschaft und unser Abfallproblem nachzusinnen. Flasche für Flasche, Tüte für Tüte manifestiert sich in mir das Bewusstsein, dass wir etwas ändern müssen. Und dabei gaukle ich mir vor, dass ich diesbezüglich schon auf einem ganz guten Weg bin.

Müll sammeln

Auch an diesem sizilianischen Frühlingsmorgen war ich beim Sammeln ganz in Gedanken versunken, als plötzlich ein Traktor neben mir hielt. Darauf zwei Männer in leuchtend orangefarbenen Latzhosen, dir mir und meiner Mülltüte irritierte Blicke zuwarfen. Sie murmelten einen Morgengruß – und machten sich dann ans Werk. An mein Werk. Der Traktor zog ein Ding hinter sich her, das die obere Sandschicht aufschaufelte, den Müll heraussiebte und feinsten Traumstrand hinterließ. Meter für Meter arbeitete er sich mit einer Geschwindigkeit und Effizienz voran, die mich desillusioniert und mit hängenden Schultern zurückließ. Der Traktor läutete offiziell die Tourismussaison ein, in der sich ein sauberer Strand wieder „lohnt“. Und in der Weltverbesserinnen wie ich nicht mehr gebraucht werden.

Voll Hoffnung, dass Beach-Clean-Ups etwas bewirken

Jedes Jahr gelangen rund zehn Millionen Tonnen Plastik in unsere Meere. Nur ein kleiner Teil davon wird wie hier auf Sizilien an die Küsten geschwemmt, wo es eingesammelt und anschließend recycelt werden kann. Der Rest treibt im Wasser vor sich hin und zerfällt in immer kleinere Teilchen. Sie werden von Fischen, Schildkröten und Vögeln mit Nahrung verwechselt und landen so nicht nur auf dem Meeresgrund, sondern oftmals auch auf unseren Tellern. Wenn das so weitergeht, wird es in unseren Meeren bereits 2050 mehr Plastik als Fische geben. „Zehn Millionen Tonnen“, dachte ich laut, während ich dem Traktor bei seinem High-Efficiency-Beach-Clean-Up zusah. Da kann auch der nichts ausrichten. Da kann niemand was ausrichten. Und ich schon gar nicht.

Ich gestehe: dieser Tag hat mir einen kleinen Dämpfer versetzt. Und den Strand in Marina di Ragusa habe ich seitdem nicht mehr aufgeräumt. Aber dafür viele andere Strände, an denen keine Traktoren am Werk waren. Was soll das, was bringt’s – außer dem meditativen Aufräumeffekt? Trotz allem habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Beach-Clean-Ups etwas bewirken können – wenn auch nur ein mikro-kleines bisschen. Vielleicht kann der Effekt nicht in Tonnen, sondern nur in Bewusstseinsfunken gemessen werden.

Strohhalme

Zum Beispiel an dem Tag in Astakos, als mir ein paar Jugendliche ein „Thumbs Up“ gaben, nachdem sie mich beobachtet hatten, wie ich Strohhalm für Strohhalm zwischen den Kieselsteinen zum Vorschein brachte. Oder in Trizonia, als ein Mann spontan mit anpackte und sich anschließend mit einem fürstlichen Abendessen bei mir bedankte. Oder in Kroatien, als ein kleines Mädchen seine Mama bat, ihr zu erklären, warum die Frau den Müll anderer Leute aufsammeln muss – und wie der überhaupt da hingekommen ist. Neben den Momenten, in denen ich andere zum Nachahmen oder zumindest zum Nachdenken ermutigen kann, zählen für mich auch die Aufräumaktionen, bei denen niemand zuschaut. Denn wenn Menschen an einen sauberen Strand kommen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie wenigstens ihren eigenen Müll wieder mit nach Hause nehmen. Genauso wie die Erinnerung an einen Ort, an dem die Welt – vielleicht nur für einen plastikfreien Tag lang – in Ordnung war.

Hast du schonmal bei einem Beach-Clean-Up mitgemacht? Hattest du dabei das Gefühl, etwas zu bewirken – oder hat die Müllflut deine gute Laune ins Meer gespült? Ich freue mich jederzeit über Feedback, Anregungen oder Fragen – gerne als Kommentar oder direkt per Mail an [email protected].

Beach-clean-up

Fotos: Ina Hiester

Ina ist digitale Nomadin und reist zu Wasser und zu Lande durch Europa. Dabei hält die Journalistin stets Ausschau nach besonderen Orten für Good Travel, philosophiert in ihrer Kolumne über das Reisen, fotografiert, musiziert und schreibt Artikel zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen aller Art.

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