INA WO(A)NDERS: Über das Schmieden von Plänen
Habt ihr schon einen Super-Plan geschmiedet, der dafür sorgen wird, dass in diesem Jahr alles besser wird? Mehr Sport und gesündere Ernährung, weniger Bildschirmzeit und Stress, dafür viel Abenteuer und Quality-Time? Ich plane auch viel und gerne. Und ich gestehe: Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert. Aber auf Reisen habe ich gelernt, dass es da noch was viel Besseres gibt.
Beidrehen, Anker werfen, wow.
2019 umrundeten wir mit unserem Segelboot in Griechenland die wilde und wunderbare Peloponnes. Als wir uns gegen Ende der Segelsaison durch den Golf von Korinth wieder in Richtung Westen aufmachten, hatten wir viele Seemeilen, Sonnenstunden und Seelenfutter gesammelt – und wollten nun „heim“, in unseren Winterhafen auf Sizilien. Die Route stand fest, das Wetter sah vielversprechend aus, der Plan war geschmiedet. Proviantiert, vollgetankt und voll motiviert brachen wir noch vor Sonnenaufgang auf und segelten zielstrebig gen Westen. Unsere Blicke glitten leicht melancholisch an der an uns vorüberziehenden griechischen Küste entlang. Und verhakten sich plötzlich. „Sollen wir kurz einen Zwischenhalt einlegen? Nur zum Frühstücken?“ Beidrehen, Anker werfen, wow.
Treiben lassen, ohne feste Pläne
Zwischen zwei vollkommenen, halbmondförmigen Stränden spiegelte kristallklares Wasser die Umrisse eines kleinen Berges. Obwohl weit und breit niemand zu sehen war, fanden wir am Strand statt den üblichen Verdächtigen (Müll, Müll und noch mehr Müll) lediglich eine illustre Ansammlung an Fußspuren: Vögel, Menschen, Hunde und irgendwas mit Hufen. Verzaubert von der Szenerie vergruben wir unsere Überfahrts-Pläne vorübergehend im Sand, genossen die goldene Septembersonne auf der Haut und lauschten den fernen Rufen der Möwen. Alles um uns herum erschien intensiver, leuchtender, magischer als anderswo. Weil wir das hier nicht geplant hatten. Weil wir uns zuvor kein Bild von diesem Ort gemacht hatten, das wir nun mit der Realität abgleichen mussten. Stattdessen ließen wir uns im Wasser treiben und dabei von einem prickelnden Urlaubsgefühl durchströmen. Bis wir ein Grollen hörten.
Spontan sein und dabei Freunde finden
Das Grollen entpuppte sich als Bellen und kam auf zwölf Beinen von der Spitze des Berges auf uns zu gerannt. Drei Hunde, einer größer als der andere, näherten sich im Schweinsgalopp und würden uns wahrscheinlich bald… überglücklich begrüßen. Hinter ihnen zwei Männer, die übers ganze Gesicht strahlten. So lernten wir Georgios und Spyros kennen. Zwei Aussteiger, die vor vielen Jahren, als ihnen die Städte zu voll, die Menschen zu laut und das Leben zu schwer geworden war, allen Plänen zum Trotz an diesen Ort kamen – und einfach blieben. Oben auf dem Berg bauten sie sich aus dem, was sie vorfanden, eine Mischung aus Höhle und Haus. Und leben seither von dem, was die Natur ihnen gibt. Mit Händen, Füßen und ein wenig Englisch erzählten sie uns ihre Geschichte. Sie bekochten und begeisterten uns und verabschiedeten uns nach einigen Tagen mit dem Versprechen, dass wir hier, auf ihrem Berg zwischen den beiden Halbmond-Stränden, immer willkommen seien.
Wie kam es dazu, dass wir am Ende einer wunderbaren Reise noch ein paar Tage Glück gratis dazubekamen? Aus genau einem Grund: Weil wir richtigen Moment unseren Plan änderten. Unser Wetterfenster, um die dreitägige Überfahrt nach Sizilien unter perfekten Segelbedingungen hinter uns zu bringen, war in diesen Tagen an uns vorübergezogen. Doch was uns niemand mehr nehmen konnte, war die Erkenntnis, dass um jede Ecke jederzeit etwas Magisches lauern kann. Pläne helfen uns, im Leben voranzukommen. Wenn wir allerdings zu sehr an ihnen festhalten, können sie zu Scheuklappen werden. Und dann verpassen wir womöglich, was links und rechts so verheißungsvoll funkelt und glitzert.
Hast du schonmal einen Plan verworfen – und dann etwas Großartiges gefunden, was du vielleicht gar nicht gesucht hast? Ich freue mich jederzeit über Feedback, Anregungen oder Fragen – gerne als Kommentar oder direkt per Mail an [email protected].
Fotos: Pexels / Bich Tran, Ina Hiester
Ina Hiester
Ina ist digitale Nomadin und reist zu Wasser und zu Lande durch Europa. Dabei hält die Journalistin stets Ausschau nach besonderen Orten für Good Travel, philosophiert in ihrer Kolumne über das Reisen, fotografiert, musiziert und schreibt Artikel zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen aller Art.
2 Comments
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Ina
…und wir freuen uns über interessierte Leserinnen wie dich, liebe Karin! Beste Grüße, Ina
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Karin NZ
Freue mich auf weitere interessante Travelberichte