Blog I Good Travel

Fernweh

INA WO(A)NDERS: Über Fernweh

Sehnt ihr euch auch schon so nach eurer nächsten Reise? In ihrer Kolumne philosophiert unsere Autorin Ina dieses Mal über Fernweh.

„Musst du wirklich schon wieder weg?“, fragt mich meine Mama. Ein teils trauriger, teils skeptischer Unterton liegt in ihrer Stimme. Auf ihrer Stirn scheint eine feine Sorgenfalte meine Reiseroute nachzuzeichnen. „Ja“, flüstere ich, leicht schuldbewusst. „Irgendwie schon.“

Ich bin kaum drei Wochen in der Heimat, da hat es mich schon wieder im Griff: Fernweh. Es sitzt irgendwo zwischen meinem Zwerchfell und meinem Herzen. Ein kleiner, unnachgiebiger Widerhaken, an dem mich meine Sehnsucht in die Ferne zieht. Ein bisschen fühlt es sich wie eine unerfüllte Liebe an, mit der – wer weiß – doch so vieles möglich gewesen wäre. Fernweh lässt meinen Blick belanglos an meiner Umgebung herabtropfen. Es lässt meine Gedanken bunte Reisepläne stricken, und oft braucht es erst einen ganz tiefen Seufzer, bevor ich die Maschen wieder fallen lassen kann. Für kurze Zeit. Bis es mich wieder packt.

Auf meinen Reisen habe ich festgestellt, dass viele Sprachen für das deutsche Fernweh keine passenden Worte finden. Im englischen werden weder die juckenden Füße („itchy feet“) noch „wanderlust“ diesem liebeskummer-artigen Gefühl gerecht. Romanische Sprachen wie Französisch, Spanisch und Italienisch bedienen sich an Wortkonstruktionen, die etwas ähnliches, aber doch nicht mein Widerhaken-Fernweh beschreiben. Sie sprechen von einer „Nostalgie der fernen Länder“. Doch Nostalgie empfinde ich eher für das Altbekannte – etwa, wenn ich Heimweh habe. Fernweh hingegen, das ist die Sehnsucht nach dem Unentdeckten, das hinter der nächsten Kurve, jenseits des Berges, da hinten am Strand und weit hinter dem Horizont lauert. Fernweh, das ist das Gegenteil von Heimweh. Es ist purer Lebenshunger.

mich zieht es in die Ferne
Fernweh, das ist das Gegenteil von Heimweh.

Sobald ich meinen nächsten Reiseplan geschmiedet habe, wenn es nur noch Zeit zu überbrücken und den Rucksack zu packen gilt, verwandelt sich mein Fernweh in die englischen, juckenden Füße. Der leichte Schmerz, das „Weh“ nach der Ferne, wird zur Vorfreude, zu einer zappelnden Ungeduld, die sich mit Mut schmückt und nach Abenteuer duftet. Und doch weiß ich, dass ich den Widerhaken weiter in mir trage. Und dass es schon bald wieder ziepen wird, zwischen Zwerchfell und Herz. Wenn eine neue Ferne ruft.

Regenbogen

Wo zieht es dich gerade hin – und was machst du, wenn dich das Fernweh packt, du aber gerade partout nicht verreisen kannst? Ich freue mich jederzeit über Feedback, Anregungen oder Fragen – gerne als Kommentar oder direkt per Mail an [email protected].

Fotos: Ina Hiester, Pexels / Taryn Elliott, Ben Mack

Ina ist digitale Nomadin und reist zu Wasser und zu Lande durch Europa. Dabei hält die Journalistin stets Ausschau nach besonderen Orten für Good Travel, philosophiert in ihrer Kolumne über das Reisen, fotografiert, musiziert und schreibt Artikel zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen aller Art.

KOMMENTAR

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert