
Insider-Touren von Locals
Sich erholen, entspannen und in der Fremde zurechtfinden – ganz schön viel Anspruch an den Urlaub, oder? Katrin Köberles Antwort darauf ist: Your Local Hero. Eigentlich wollte sie Touren für ihre Herzensgegend, die Côte d’Azur anbieten, schließlich ist die Côte d’Azur nicht nur Jet-Set-Destination, sondern hat auch eine raue, wilde Natur, den ersten Unterwassernaturschutzpark Frankreichs, ist Wanderparadies, und strotzt nur so vor Kultur. Aber ein einziger Urlaub reicht eben nicht aus, um all das zu finden. Also kam Katrin auf die Idee, fertige Touren auf ihrem Blog anzubieten, die Tourist:innen dann nur noch nachmachen müssen. Natürlich selbständig.
Sie entwickelte Ausflüge, mit denen Reisende die Schönheit der Côte d’Azur entdecken können, mit Playlist, damit aus einem normalen Ausflug ein unvergesslicher Tag wird. Damit wollte Katrin die Freundin in der Fremde sein, welche sie gerne überall dabei hätte, weil ihrer Erfahrung nach, ein Urlaub viel besser ist, wenn man jemanden besucht, der einem tolle Tipps gibt.

Heimat für alle: nachhaltig, inspirierend und achtsam
Doch dann kam Corona. Reisen ging zwar nicht mehr, aber darüber schreiben konnte man trotzdem. Und Katrin dachte ihre Idee größer, nicht beschränkt auf die Côte d’Azur und ihren Blog, sondern als ein Netzwerk, weltweit. Für alle, die ihre Heimat anderen zugänglich machen wollen. Alle mit den gleichen Werten, nämlich Nachhaltigkeit, Achtsamkeit, Interesse an der bereisten Region und den verschiedenen Traditionen und Kulturen – gemeinsam, einen Schritt zu mehr Toleranz. Ihre Philosophie ist: Wenn wir uns in der Fremde herzlich willkommen fühlen, geben wir das zurück. Mittlerweile arbeitet Katrin daran, die Côte d’Azur mit ihren Touren erlebbar zu machen und gleichzeitig sucht sie Mneschen, die dasselbe für ihre jeweilige Region machen möchten. Mitmachen kann übrigens jede:r, die/der ihre/seine Heimat anderen vorstellen möchte.

Katrin Köberle ist gelernte Fotodesignerin und seit 2008 selbständig. Ihren Blog hat sie 2017 gegründet und von Anfang an hat sie Touren geschrieben, um den Tourist:innen die Planung zu erleichtern und ihnen die tolle Gegend zu „zeigen“.

1. WAS war, ist deine Motivation hinter „Your Local Hero“?
Die Idee zu „Your Local Hero“ entstand Ende 2019 aus der Frage heraus, was man eigentlich tun könnte, damit die Welt nicht vor die Hunde geht. Damals war Trump gerade so richtig in Fahrt, der Brexit beherrschte die Nachrichten – es schien so, als ob sich die Gesellschaft mehr zurück als vorwärts und jeder einzelne eher auf sich als Richtung Gemeinschaft orientiert. Das fand ich schade und fragte mich, ob ich persönlich da nicht ein Zeichen setzen könnte. Eigentlich ist Your Local Hero die Quintessenz aus allem, was ich erlebt habe, mir wünsche und lebe. Ich bin überzeugt davon, dass Toleranz der Schlüssel zu fast all unseren Problemen ist, denn Toleranz bedingt Verständnis und das wiederum hilft gegen Angst, die einen engstirnig und egoistisch werden lässt. Wenn ich verstehe, warum etwas ist, wie es ist, muss ich es nicht fürchten, sondern kann es akzeptieren.
Allerdings haben wir alle heutzutage so viel um die Ohren, dass wir kaum Zeit haben, um uns Wissen und Verständnis anzueignen. Das geht eigentlich nur noch im Urlaub. Doch selbst der hat sich irgendwie so verändert, dass man kaum noch erholt ist. So viele Ansprüche, die gestellt werden: perfekte Selfies, tolle Bräune, tiefe Entspannung, neue Eindrücke – was man nicht alles im Urlaub machen will beziehungsweise soll. Allerdings wird der durchschnittliche Urlaub statistisch immer kürzer, wie soll man das dann alles schaffen?!
Wenn ich früher als Jugendliche verreist bin, dann kam ich aus jedem Urlaub mit mindestens einem Brieffreund zurück. Das Gefühl, überall auf der Welt Freund:innen zu haben, war toll. Und diese Freundschaften hielten oft Jahre. Die Tipps, die ich bekam, waren super, ich bin damit ganz anders gereist und auf Entdeckungstour gegangen, als wenn ich die Reisen eigens geplant hätte. Deswegen habe ich mich gefragt, ob ich als Reiseblogger nicht irgendwas tun könnte, um den Reisenden „eine Freundin in der Fremde“ zu sein. Und so entstand das Konzept für Your Local Hero.
2. Was rätst du unseren Leser:innen: Was kann man konkret für eine bessere Zukunft tun?
Meiner Ansicht nach brauchen wir mehr Verständnis für unser aller Unterschiede und mehr Bewusstsein dafür, dass unser Handeln Konsequenzen hat. Wenn wir reisen, dann sind wir in einem anderen Land, einer anderen Heimat zu Besuch, das ist kein Open-Air-Freizeitpark für unser persönliches Amüsement. Wir sollten uns respektvoll verhalten und im besten Fall etwas von den Menschen vor Ort lernen. Der kulturelle Austausch ermöglicht es uns, den gegenseitigen Kontakt achtsamer zu gestalten und einander besser zu verstehen. Gleichzeitig lernen wir die Auswirkungen unseres Handels kennen. Wenn in Südeuropa das Leitungswasser jeden Sommer knapp ist und einen das ganz konkret im eigenen Sommerurlaub beeinträchtigt, geht man mit Leitungswasser zu Hause doch auch aufmerksamer um – hoffe ich zumindest.
Im Urlaub verlassen wir im besten Fall unseren Alltag und damit unsere Komfortzone und lassen uns auf das Unbekannte ein. Daher lautet mein Rat: verlasst die gewohnten Wege und begebt Euch im Urlaub auf Entdeckungstour. Nehmt mal einen verschlungenen Weg, fragt Einheimische nach Empfehlungen, lernt etwas über die bereiste Region, entwickelt Verständnis für das Andere und die Konsequenzen des eigenen Verhaltens. Denn nur, weil etwas nicht so ist oder funktioniert, wie wir es gewohnt sind, ist es nicht schlechter. Es ist nur anders und dafür gibt es eigentlich immer einen Grund. Findet ihn heraus und lasst Euch überraschen, wie einfach die Gründe manchmal sind, über deren Auswirkungen man sich sonst so schön aufregen kann, weil sie einem das gewohnte Leben vermeintlich schwerer machen.
3. Wie passen Reisen und Nachhaltigkeit für DIch zusammeN?
Eigentlich gar nicht. Reisen, wie es heutzutage oft angeboten wird, ist per se nicht sehr nachhaltig. Allerdings ist Reisen auch eine Möglichkeit, um Grenzen zu überwinden und Neues zu entdecken. Und das ist wichtig, denn wenn jede:r immer nur in seiner Bubble bleibt, dann ist weder Fortschritt möglich noch wird Veränderung angestrebt. In den letzten Jahr(zehnt)en hat sich der Tourismus an den allgemeinen Wandel angepasst: Es geht um die sofortige und billige Erfüllung jedweden Wunsches, was zur Folge hat, dass die Flüge zu billig sind, die einheimischen Dienstleister wie zum Beispiel Lebensmittelproduzenten oder Personal nicht fair bezahlt werden. Wenn wir von dieser Mentalität wegkommen und Reisen wieder mehr als Luxus empfinden, dann können wir einen nachhaltigen Tourismus schaffen, davon bin ich überzeugt.
Nachhaltiger Tourismus bedeutet für mich, mich vor Ort respektvoll zu verhalten, meinen Komfortanspruch hinter mir zu lassen und stattdessen das zu probieren, was die Einheimischen nutzen und dass ich möglichst keine langfristigen Spuren hinterlasse. Ich denke, der Schlüssel zu nachhaltigem Reisen liegt in der Eigenverantwortung und der Achtsamkeit für die Folgen, die das eigene Handeln hat. Aber das richtet sich gleichermaßen an Privatpersonen wie auch an Unternehmen! Ich bin kein großer Freund davon, manche Reisearten zu verurteilen. Beispielweise dass man nur Langstreckenflüge machen sollte, wenn man mindestens vier Wochen am Ort bleibt. Die meisten mieten sich wahrscheinlich dann ein Auto vor Ort und machen einfach einen vierwöchigen Roadtrip, ist die Frage, ob das besser ist, als wenn sie nur zwei Wochen an einem Ort bleiben würden, auch wenn dieser weit weg ist.
Und auch Kreuzfahrten kann man nicht einfach so verbieten, denn für manche Menschen sind sie die einzige Möglichkeit, überhaupt Urlaub zu machen, zum Beispiel Gehbehinderte oder Minderheiten, deren Lebenskonzept in anderen Ländern verboten ist. Homosexuelle Freunde von mir trauen sich nicht in „normale“ Hotels und sowieso sind viele Länder für sie nicht möglich. Sie fühlen sich auf Kreuzfahrten am wohlsten, weil sie dort sicher vor Verfolgung oder gar Strafe sind. Wenn man nun Kreuzfahrten abschaffen würde, dann würde viele Menschen die Möglichkeit verlieren, überhaupt verreisen zu können, das finde ich nicht richtig. Wenn allerdings die Reedereien ihre Eigenverantwortung akzeptieren und die Forschung im Bereich alternative Antriebe (mit-)finanzieren, die Mitarbeiter:innen fair bezahlen, vielleicht sogar Schulen in Regionen bauen, wo eine regelmäßige Route entlangführt und bei den Stopps nicht nur Besichtigungen anbieten, sondern mit gemeinnützigen Organisationen vor Ort kooperieren und die Reisenden bilden, dann wäre das doch ein toller Schritt in Richtung eines nachhaltigen Tourismus. Oder Tourist:innen bekommen einfach so tolle Angebote in der Nähe der eigenen Heimat, dass ein Langstreckenflug gar nicht mehr nötig ist, eben mit Touren von local Heroes.

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