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Bauernhof an der portugiesischen Algarve

Frieden finden auf der Quinta do Catalão

Wie landen eine Snowboarderin und ein Robotik-Ingenieur auf einer rustikalen Bio-Quinta in der Algarve? Um das zu erfahren, war unsere Autorin Ina für euch vor Ort. Und hat dort ihren persönlichen, kleinen Reisefrieden gefunden.

In warmes Abendlicht getaucht sitze ich auf dem winzigen Balkon meines Tiny-Hauses und spüre, wie ich ganz, ganz ruhig werde. Durch Blättersilhouetten durchbrochen tasten sich die letzten Sonnenstrahlen durch das Fenster, mogeln sich durch den Türspalt, zeichnen zarte Muster auf Boden und Möbel. Ich nehme das Bild in mir auf und merke, wie irgendetwas in mir einrastet, Klick macht, nachgibt. So viel ist passiert in letzter Zeit. So oft habe ich mich gefragt, ob ich die richtigen Entscheidungen getroffen habe. Und dann lande ich hier, auf der Quinta do Catalão in der Nähe von Lagos – und plötzlich bleibt das Gedankenkarussell einfach stehen. In mir streckt und räkelt sich ein kleiner Frieden. Er rollt sich wohlig zusammen und nistet sich in meiner Reiseseele ein. Nach fünf Jahren Segeln im Mittelmeer bin ich jetzt eine reisende, musizierende, schreibende und fotografierende Vagabundin auf vier Rädern. Und treffe genau im richtigen Moment, irgendwo zwischen Zweifeln und Vorfreude, auf genau die richtigen Menschen. Auf Menschen wie Max und Karolina. Ihre Geschichte ermutigt mich, Pläne zu schmieden und wieder zu verwerfen; die Seiten meines eigenen Buches mit Tinte und Leben zu füllen – und wenn’s sein muss, einfach wieder neu zu schreiben.

Tiny House
Tinyhouse Unterkunft

Es war einmal: eine Bio-Apfel-Plantage in Polen

Lange bevor sie die Quinta do Catalão in der Algarve zu neuem Leben erweckten, spielten Nachhaltigkeit und gute Lebensmittel für die ehemalige Profi-Snowboarderin Karolina und den Ingenieur Max eine zentrale Rolle. „Angefangen hatte das alles nach einer Indienreise, während der ich sehr krank wurde. Weil mir die Ärzte nicht helfen konnten, beschlossen wir, es mit einer Ernährungsumstellung zu versuchen. Seither ernähren wir uns überwiegend makrobiotisch, mit wenig Zucker und Fleisch, viel vollwertigem Getreide und Gemüse – und so naturbelassen wie nur möglich“, erzählt Max. Doch gute, unbelastete Lebensmittel zu bekommen, erwies sich als gar nicht so einfach. Als Max in Polen ein Stück Land erbte, zog das Paar in die Provinz und versuchte sich am biologischen Apfel-Anbau. „Mit unserer Apfel-Plantage – damals eine der ersten bio-zertifizierten in ganz Polen – waren wir die Freaks im Dorf. Unsere Nachbarn hatten sogar Angst, dass unsere Art der Landwirtschaft Insektenplagen heraufbeschwören könnte“, erinnert sich Karolina lächelnd.

Zufall ist, was fällig ist: die Quinta do Catalão als neue Lebensaufgabe

Vor 11 Jahren verzögerte sich jedoch die Vertragsverlängerung für die Plantage in Polen. Um die Zeit zu überbrücken, fuhr das Paar mit seinem ausgebauten Reisebus, zwei Kindern und zwei Hunden im Gepäck – zum Wwoofing in Richtung Portugal. Und hier kam dann alles ganz anders. Im Gegensatz zu ihrem Umfeld in Polen traf die Familie in Portugal innerhalb kürzester Zeit auf viele, gleichgesinnte Menschen. Hier fanden sie etwas, von dem sie gar nicht wussten, dass sie es gesucht hatten. Und auf einmal ging alles ganz schnell. „Ein Freund bot uns an, uns um sein Stück Land in der Nähe von Lagos zu kümmern. Die Quinta do Catalão stand damals schon jahrelang leer. Ihre Gärten und Felder waren fast bis zur Unkenntlichkeit überwuchert. Aber unter all den Disteln, dem Klee und dem Gestrüpp erahnten wir ihr Potenzial. Beim Wiedererwecken der Quinta ließ unser Freund Pedro uns freie Hand. Und wir beschlossen, nicht nach Polen zurückzukehren, sondern einfach zu bleiben.“

Urlaub an der Algarve
Ferien in Portugal

Landwirtschaft in der Algarve: Wasser ist der limitierende Faktor

Zu dem Zeitpunkt hatten Max und Karolina schon viele Orte und Länder mit ihrem Bus bereist. Karolina erzählt: „Wir haben Vanlife gemacht, noch bevor es dafür einen Hashtag gab. Diese Zeit war wunderbar und hat uns für das einfache Leben und einen sparsamen Umgang mit unseren Ressourcen perfekt vorbereitet.“ Der Bus fuhr schon bald mit gebrauchtem Speiseöl, Solarzellen versorgten die Familie mit Energie, mit Wasser wurde sparsam umgegangen. Wie kostbar Wasser tatsächlich ist – das lernten sie jedoch erst, als sie auf der Quinta do Catalão eingezogen waren. „Wir waren hoch motiviert und haben einiges versucht. Sogar ungewöhnliche, alte Getreidearten wir Emmer oder Einkorn, die nur verhältnismäßig wenig Wasser brauchen. Doch wegen der Trockenheit hier in der Algarve waren die Ernten nicht gut genug, um eine Familie davon ernähren zu können“, erzählt Max. Der handwerklich geschickte Ingenieur mauserte sich damals innerhalb kürzester Zeit zum örtlichen Reparateur für Traktoren und Autos. Um Geld dazu zu verdienen, damit sie ihr kleines Paradies bewirtschaften konnten.

Paradies in der Algarve
Hahn auf der Farm

Immer mehr Gäste kommen in das kleine Paradies in der Algarve

Wenn zwischen dem Kampf mit der Trockenheit, dem Versorgen der Tiere, diversen Gelegenheitsjobs, dem Haushalt und der Kindererziehung noch Zeit blieb, werkelten Karolina und Max an ihrem Tiny-Haus. „Es besteht zu 80 Prozent aus recyceltem Material. Bis auf die Matratzen und die Dachplatten stammt fast alles von Flohmärkten und Deponien, von Freunden und Verwandten. Viele Gegenstände und Materialien sind per Zufall hier gelandet – genauso wie wir“, so Karolina. Bei Freunden, die zu Besuch kamen, war das Tiny Haus so beliebt, dass die Familie beschloss, es auch an andere Gäste zu vermieten. Und das lief so gut, dass sich schon bald zwei Schäferwagen, eine Strandhütte mit Sternenblick und ein Tipi auf dem wunder-wilden Grundstück hinzugesellten. Zusammen mit dem Haupthaus bietet die Quinta heute Platz für bis zu 17 Menschen.

Am nächsten Morgen weckt mich die Sonne und ich stehe gut gelaunt und erholt auf. Mit einem Kaffee setze ich mich auf die eigene Terrasse nach draußen und werde langsam wirklich wach.

Strandhütte in Portugal
Urlaub in Portugal
In Portugal im Schäferwagen übernachten
Außenbadewanne in Portugal
Paradies in der Algarve

EIN LEBEN ZWISCHEN PORTUGAL UND DEUTSCHLAND

Corona und die Verantwortung für inzwischen drei Kinder haben auf der Quinta die Karten wieder neu gemischt. Karolina erzählt: „Ich bin halb Polin, halb Deutsche. Während Corona haben wir viel Zeit in Deutschland verbracht und gemerkt: wir können unseren Kindern in Portugal nicht die schulische Bildung und soziale Anbindung bieten, die wir uns für sie wünschen. Und ehrlich gesagt wollen wir unser kleines Paradies nicht allzu sehr kommerzialisieren. Am liebsten möchten wir nur solche Gäste willkommen heißen, die die besondere Energie dieses Ortes spüren. Die sich treiben lassen und den Alltag vergessen wollen, die als Fremde an- und als Freunde abreisen.“ Deshalb improvisiert die Familie nun vorübergehend ein wenig. In der Schulzeit lebt und arbeitet Karolina mit den Kindern in Deutschland und Max kümmert sich um die Quinta. Die Ferien verbringen sie stets gemeinsam in Portugal, im Winter lebt Max ebenfalls in Deutschland. Dann vermieten sie die Quinta do Catalão längerfristig an Menschen, die das einfache, ländliche Leben jenseits des Trubels und inmitten der Natur ausprobieren möchten. Einige dieser Langzeitgäste haben inzwischen selbst Land in der Umgebung erworben.

Urlaub auf der Quinta do Catalão: ankommen, durchatmen, nicht mehr wegwollen

Langfristig will das Paar wieder Vollzeit hier leben. Karolina träumt von einem Eco-Retreat, und von einem eigenen kleinen Restaurant, in dem ausschließlich eigene Produkte verwertet werden. „Die Quinta erdet uns. Hier haben unsere Kinder gelernt, Gemüse zu säen, zu hegen, zu pflegen und Lebensmittel wertzuschätzen. Sich jenseits des Großstadttrubels selbst zu beschäftigen und frei in der Natur zu spielen“, sagt Karolina.

Besonderer Ort in der Algarve
Keramik aus Portugal
Urlaub in Tiny House in Portugal

Berührt und zugleich beruhigt von ihrer Geschichte über das Umdenken und Neuanfangen, das Nachjustieren und Weiterträumen, verbringe ich statt den geplanten zwei Tagen gleich vier Tage auf der Quinta do Catalão. Und reise am vierten Tag nur deshalb schon ab, weil musikalische Verpflichtungen rufen. Ich hätte noch viele Stunden mit Max darüber philosophieren können, wie man wahrhaft wertschätzende Gäste für diesen zauberhaften Ort herausfiltern kann. Könnte noch viele Male zwischen den Hecken und wiegenden Grashalmen meine Yogamatte ausrollen. Mich der Sonne entgegenräkeln, deren Licht hier jedem Blatt und jeder Blüte einen kleinen Heiligenschein aufsetzt und sie perfekt in Szene setzt. Mich auf dem Hängesessel drehen, bis mir schwindelig ist. Lesend auf dem Sofa die Abwesenheit von Lärm und die Anwesenheit von Gelassenheit aufsaugen. Und auf der Schaukel meinen Reisefrieden wiegen. In das Gästebuch schreibe ich, weil die Zeit beim Abschied drängt, nur vier Wörter: I will be back.

Ferien in Portugal

Mehr Infos zur Unterkunft findet ihr hier

 

© Fotos: Ina Hiester

Ina ist digitale Nomadin und reist zu Wasser und zu Lande durch Europa. Dabei hält die Journalistin stets Ausschau nach besonderen Orten für Good Travel, philosophiert in ihrer Kolumne über das Reisen, fotografiert, musiziert und schreibt Artikel zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen aller Art.

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