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Besitz

INA WO(A)NDERS: Über Besitz

Unterwegs benutzen wir ganz selbstverständlich die Sachen anderer Leute. Ein guter Anlass, eigene Besitztümer infrage zu stellen, findet unsere Autorin Ina.

Unterwäsche, Socken, Klamotten, ein klimpernder Kulturbeutel, Handy, Laptop, Kamera, Mikrofon, diverse Ladegeräte, Portemonnaie, Kopfhörer und was zum Lesen: obwohl ich mich bemühe, minimalistisch zu leben, bin ich beim Packen für eine Reise noch ganz schön weit von dem alten Sprichwort seine sieben Sachen packen entfernt. Allerdings stammt dieses Sprichwort auch aus dem 17. Jahrhundert, als es weder Computer noch Smartphones, Kopfhörer, Mikros, Kameras oder Ladekabel gab. Trotzdem ist es erstaunlich, dass ich unterwegs außer oben genannten Gegenständen oft tage- oder wochenlang nichts brauche. Und das liegt gar nicht an meinem Minimalismus. Sondern daran, dass wir auf Reisen völlig selbstverständlich den Besitz anderer Menschen nutzen.

packen

Auf Reisen können wir uns auch ohne Besitz wohlfühlen

Zum Beispiel bei meinem Besuch bei Suska und Nico im Happy Hamlet. Die weiche Matratze und die sanft nach Kräutern duftende Bettwäsche auf dem schlichten Metallbett garantierten mir ein bequemes Nachtlager. Wie viele Leute wohl vor mir schon in meinem Bettchen geschlafen hatten? In der riesigen Gemeinschaftsküche warteten nicht nur das klassische Quintett aus Salz, Pfeffer, Zucker, Essig und Öl auf mich, sondern eine kulinarische Vollausstattung, die mir den Atem stocken ließ. Dazu Tassen, Gläser, Ess- und Kochgeschirr in allen Farben und Formen. Wie viele Menschen wohl schon von diesen Tellerchen gegessen hatten? Auch bequeme Kissen, Decken und Yogamatten gab es zur Genüge. Wer sich hierauf wohl schon alles gereckt und gestreckt hatte? Mir jedenfalls fehlte es an: gar nichts. Und das, obwohl nichts hiervon mir gehörte.

Reisen als Gelegenheit, mit dem eigenen Besitz auf Abstand zu gehen

Ich denke an meine Besitztümer, die ich als digitale Nomadin im Laufe der letzten Jahre über verschiedenste Orte verteilt habe. Tassen, Kissen, Decken, Messer, Töpfe. Klamotten aus einem anderen Leben. Bei meinen Eltern steht noch ein wunderschönes, uraltes Bett und ein dazu passender Nachttisch. Bis auf meine Gitarre, gestehe ich mir ein, ist alles doch sehr austauschbar. Reisen sind daher eine ideale Gelegenheit, mit dem eigenen Besitz einmal auf Abstand zu gehen. Das ist vergleichbar mit einer meiner liebsten Ausmist-Methoden: Dabei packt man Dinge, von denen man nicht weiß, ob man sie noch braucht, in eine Kiste und stellt diese in den Keller oder auf den Dachboden. Erinnert man sich schon bald nicht mehr an den Kisteninhalt und vermisst nichts davon, dann kann die Kiste komplett entsorgt werden. Wer also im Urlaub den ollen Kerzenständer oder das verstaubte Kaffeeservice im Eckschrank zuhause nicht vermisst, darf das getrost zum Anlass nehmen, es nach dem Urlaub gleich zu verschenken oder zu verkaufen. Und den Eckschrank vielleicht gleich mit.

Frei von Besitz

Erleben versus Haben: wer gewinnt?

Was hingegen nicht austauschbar ist, sind die Erlebnisse und Begegnungen auf einer Reise. Die vergnüglichen Stunden beim gemeinsamen Essen mit meinen Gastgebern. Der Spaziergang zwischen Waldrand und Sonnenblumenfeldern, bei dem mich zwei gut gelaunte Hunde begleiteten. Oder der Moment, als ich zum ersten Mal den Pfau fliegen sah. Es gibt übrigens zahlreiche Studien, die belegen, dass uns Erlebnisse glücklicher machen als das Kaufen und Besitzen von Dingen – und das sogar, bevor es überhaupt losgeht. Denn vor einer Reise oder einem vergleichbaren Erlebnis empfinden die meisten Menschen Vorfreude. Vor dem Kauf von Dingen sind wir hingegen eher ungeduldig.

Welche Dinge vermisst du, wenn du unterwegs bist? Ich freue mich jederzeit über Feedback, Anregungen oder Fragen – gerne als Kommentar oder direkt per Mail an [email protected].

© Fotos: unsplash / East Riding Archives, Pexels / Timur Weber, Ina Hiester

Ina ist digitale Nomadin und reist zu Wasser und zu Lande durch Europa. Dabei hält die Journalistin stets Ausschau nach besonderen Orten für Good Travel, philosophiert in ihrer Kolumne über das Reisen, fotografiert, musiziert und schreibt Artikel zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen aller Art.

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