Wein-Nostalgie im Douro-Tal und Gästehaus Morphosis
In der portugiesischen Weinregion Douro lädt Good Travel Gastgeberin Patricia ihre Gäste des „Morphosis“ ein, für ein paar Tage aus der Hektik des Alltags auszusteigen. Unsere Autorin Ina hat sie besucht – und dabei ein bisschen Heimat gefunden.
Manchmal weiß man erst, wie sehr man etwas vermisst hat, wenn man es unverhofft wiederfindet. Den blassblauen Lieblingsschal, der nach dem Spieleabend noch monatelang melancholisch an der Garderobe der Freunde hängt. Die rosig duftende Seife, die sich schüchtern zwischen Hochglanztuben im Badezimmerschrank versteckt hat. Das verschollene, scharfe Küchenmesser, das eines Tages unverhofft im Schuppen auftaucht. Oder, wie zuletzt in meinem Fall: wogende Weinberge.
Den größten Teil meiner Schulzeit habe ich gefühlt mit Busfahrten durch Weinberge verbracht. Vom Hunsrück ging es die Serpentinen hinab ins Moseltal, über die Brücke, dem Fluss folgend, dann wieder steil den Berg hinauf in die Eifel, wo mein Gymnasium lag. In den Herbstferien fuhr meine Familie regelmäßig nach Freiburg, um unserer Verwandtschaft bei der Traubenernte zu helfen. Und als ich in Mainz studierte, wären meine Zugfahrten am Rhein entlang sicher produktiver gewesen – hätte sich mein Blick nicht stets verträumt in den symmetrischen Linien der Weinberge verfangen. Kein Wunder also, dass mich eine Welle der Nostalgie überflutet, als sich das Douro-Tal im Norden Portugals in all seiner Pracht vor mir auftut.
Weinberge in Portugal: Landwirtschaft, Kultur, Ästhetik und Kunst auf einer Fläche
Meine von den steil abfallenden Straßen überhitzten Bremsen sind nur eine Ausrede, um ständig rechts ranzufahren. Um anzuhalten, zu staunen, Fotos zu machen und verstohlen mein aufloderndes Heimweh herunterzuschlucken. Weinberge wie diese sind für mich der lebende Beweis dafür, dass Landwirtschaft, Kultur, Ästhetik und Kunst auf eine Fläche passen. Kulturlandschaft nennen wir das in Deutschland – auf Portugiesisch: Paisagem Cultural. Und es besteht kein Zweifel daran, dass hier in der Douro-Region echte Meister am Werk waren. Wie Künstler haben Generationen von Weinbauern mit jeder Rebe, Pinselstrich für Pinselstrich, liebliche Konturen geschaffen. Wo sonst Wald, struppiges Gebüsch, trockenes Gras und verbrannte Erde wären, leuchten jetzt im Sommer die Blätter der Reben in saftigem Grün. Darüber strahlen die Sonne und der blaue Himmel um die Wette.
Im Schneckentempo bahne ich mir meinen Weg hinab ins Tal. Überquere die Brücke in Pinhão, bevor ich mein mobiles Zuhause den Berg nach Celeirós do Douro hinaufquäle. In dem winzigen Dorf treffe ich Good Travel Gastgeberin Patricia von Morphosis. Mit ihren drei Ferienwohnungen im Douro-Stil hat sie hier ein kleines Refugium zum Innehalten geschaffen. Sie hat das Haus 2018 gekauft und anschließend restauriert. Neutrale Töne, Schieferfarben, viel Holz und liebevolle Details sorgen für eine gemütliche Atmosphäre, in der man die Eindrücke des Tages sacken lassen kann.
„Der Kontakt mit den Reben gibt mir einen Frieden, den ich sonst nirgends finde“
Nach einem herzlichen Willkommen fahren wir gemeinsam zu einem von Patricias Weinbergen. „Die großen Quintas die du hier überall siehst, machen nur einen Teil des Weinbaus aus. Rund 80 Prozent der Weinproduzenten leben nicht auf glamourösen Weingütern. Sondern in den kleinen Dörfern, und haben nur etwa einen Hektar Land, auf dem sie Wein anbauen“, erklärt Patricia. Sie selbst ist in Porto aufgewachsen, das etwa eine Stunde von Celeirós de Douro entfernt ist. „Mein Großvater hat Wein schon immer als etwas Wunderbares zelebriert. Für ihn war es das Elixier, um das Leben mit anderen gemeinsam zu feiern. Nach der Schule habe ich Weinbau studiert und anschließend bei einem Weinproduzenten in der Region gearbeitet. Der Kontakt mit den Reben gibt mir einen Frieden, den ich sonst nirgends finde“, sagt Patricia. Die hübsche Portugiesin mit dem dicht-gewellten dunklen Haar und den feengleichen, türkisblau leuchtenden Augen könnte mit ihrer Leidenschaft und Authentizität ein Social Media Star sein. Will sie aber nicht. Ihr Leben dreht sich um den Wein und die Reben. Sie agiert hinter den Kulissen, hegt und pflegt ihre Weinberge und lebt im Moment. Liebevoll lässt sie ihren Blick über ihre Schützlinge gleiten. Und schenkt mir statt einem Lächeln für die Kamera vier kostbare Stunden ihrer Lebenszeit.
In der Douro-Region hat sich Patricia neu verwurzelt
Das Jahr 2012 hatte für Patricia alles verändert. „Zuerst verlor ich im Zuge der Wirtschaftskrise meinen Job, drei Monate später starb mein Großvater. Ohne meine Arbeit im Weinbau und ohne ihn fühlte ich mich, als hätte jemand meine DNA gelöscht oder meinen Fingerabdruck wegradiert“, sagt sie. Ich weiß ganz genau, was sie damit meint. Unsere Seelen rücken ein Stückchen näher aneinander und wärmen sich in der Sommersonne. „Mit dem Kauf meiner Weinberge 2017 habe ich mich neu verwurzelt. Als ich hierher kam, spürte ich direkt eine Verbindung. Und diese Verbindung manifestierte sich, als ich erfuhr: Vater und Großvater meiner Vorbesitzerinnen trugen denselben Namen wie mein Vater und mein Großvater: Alfredo. Hier war ich richtig“, erinnert sie sich. Ihre Weinberge haben sie geerdet und verändert – daher auch der Name ihrer Marke: Morphosis. Eine Morphose ist eine nicht erbliche, sondern durch äußere Einflüsse hervorgerufene Veränderung. Anders als viele traditionelle Weinbauern hier hat Patricia ihr Land nicht geerbt. Sie hat es gekauft – und damit die Veränderung herbeigeführt, die sie für sich und ihr Leben brauchte.
Douro-Magie: ein Picknick mitten im Weinberg
In Patricias Weinbergen wachsen vier verschiedene Traubensorten, die Reben wurden vor einem halben Jahrhundert gepflanzt. Weil die Hänge so steil und eng sind passiert hier alles in Handarbeit. Dass ihre Reben mit zunehmendem Alter nicht mehr so produktiv sind wie die Jungspunde auf den Hängen gegenüber stört sie nicht. „Das ist wie mit den Menschen. Die werden auch nicht produktiver mit den Jahren – aber weiser und komplexer“, sagt sie lächelnd. Ein bisschen Weisheit und eine wunderbare Komplexität schmecke ich auch in ihrem Wein, den ich am Abend direkt im Weinberg verkoste. Patricia hat mir an dem Ort, wo sie ihre Wurzeln wiedergefunden hat, ein herrliches Picknick gezaubert. Und ich sitze noch lange hier und sinne unserer Begegnung nach.
Ina’s fünf Tipps zum Schluss zum Kurzurlaub in der Douro-Region
- Die Douro-Gegend rund um Patricias Ferienwohnungen erreicht und erkundet man am Besten mit dem Auto, denn die Berge sind hier teilweise sehr steil.
- Wer sich vorher mit Lebensmitteln versorgen möchte, tut dies am Besten in Vila Real.
- Ein Urlaub in Patricias Ferienwohnungen kann perfekt mit einem Städtetrip nach Porto kombiniert werden, das nur eine Autostunde entfernt ist.
- Wer gerne auswärts essen möchte, sollte möglichst vorher reservieren.
- Wer wie ich am Liebsten den Tag mit einem Galão – einem portugiesischen Milchkaffee – beginnt: das kleine „Café Central“ ist nur 120 Meter um die Ecke von Morphosis.
© Fotos: Morphosis, IMAGO / Panthermedia, Ina Hiester
Ina Hiester
Ina ist digitale Nomadin und reist zu Wasser und zu Lande durch Europa. Dabei hält die Journalistin stets Ausschau nach besonderen Orten für Good Travel, philosophiert in ihrer Kolumne über das Reisen, fotografiert, musiziert und schreibt Artikel zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen aller Art.
Georg
Very nice, personal, and informative article. And we enjoyed your vine very much. Thanks.