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Kajaktour in Lettland

Kajaktour in Lettland – am besten langsam genießen

Wo liegt Lettland nochmal …? Oben … aber nicht in Skandinavien. Aber doch auch nicht so weit weg. Schön da ? Wahrscheinlich – liegt direkt am Meer. Reichlich Seen, Wäder und Flüsse gibt es auch – für den Sommer doch großartig. Doch ein so richtiges Bild von dem Land habe ich nicht …

Jakob war für eine Woche für einen Familiensommertrip in Lettland auf einer Kajaktour und am baltischen Meer. Er berichtet für Good Travel von seiner Reise und gibt Tipps für die nächste Kajaktour.

Lettland Unterkunft

Lettland – best enjoyed slowly

Lettland liegt im Sandwich der baltischen Länderreihe zwischen Estonien und Lithauen, und hat einiges vorzuweisen. So bietet das Land zum Beispiel 500 Kilometer Sandstrandküste, weite Moorlandschaften und grüne Wälder mit einzigartig gelegenen Burgen und Schlössern.

Eine Naturschönheit findet ihr im Nationalpark Gauja. Er ist der älteste und mit einer Fläche von fast 920 Quadratkilometern der größte Nationalpark in Lettland . Er ist Zuhause für allerlei Pflanzenarten und Tiere, die in anderen Gebieten Europas bereits ausgestorben sind.

Namensgeber ist der 450 Kilometer lange Fluss Gauja, der im Landensinneren seinen Ursprung hat und in die Ostsee mündet. Der Fluss fließt durch den Nationalpark, der ab der Stadt Valmiera beginnt. Dies war auch unser Abfahrtsort für die Kajaktour.

Flusswandern in Lettland

Über eine Internetrecherche hatte ich im voraus einen kleinen Kajak-Verleih rausgesucht und zwei Kajaks für eine fünf Tage Tour gemietet. Agris, der Manager des kleinen Familienbetriebes, bot uns an, uns von deren Campingplatz samt Kajaks bis zu unserem Ausgangsort Valmiera zu fahren.

Wir haben Agris gefragt, was er uns für ein mehrtägiges Kajak-Abenteuer, entlang des Flusses Gauja empfiehlt:

Kleidung für verschiedene Wetterbedingungen ist bei Reisen in Lettland immer eine gute Idee. Einige Reisende möchten über ein Wasserfiltergerät verfügen, um Wasser aus dem Fluss trinken zu können, und das Mitführen schwerer Wassertanks zu vermeiden. Ansonsten ist nichts allzu Spezifisches erforderlich. Gute Laune ist ratsam, aber wenn jemand sie nicht hat – die Tour sorgt dafür 🙂

Start in Valmiera – allein im Fluss

Während der Autofahrt erzählte er uns spannendes über Lettland und den Gauja River. Interessant ist, dass es auf dem knapp 450 Kilometer langen Fluss keine Staudämme oder Hydro-Elektro Stationen gibt – der Fluss bietet ein ununterbrochenes Kajakerlebnis.

Unterwegs fuhren wir am Slow Food Markt „Straupe“ vorbei, der jeden zweiten Sonntag zu kulinarischen Genüssen und Handwerkskunst einlädt. Immer weiter, dem Gauja Fluss aufwärts folgend.

Größere Gruppen machen oftmals nur Tagestouren. Die beliebtesten Strecken sind hierbei rund um die Städte Cesis und Sigulda, entlang schöner Felsformationen und Höhlen.

Valmiera beginnt weiter flussaufwärts – beim Start waren wir komplett alleine. Agris half uns beim Packen und tragen, gab uns noch einen Wasserkanister und Dry Bags mit und fragte: “So, I can go now right? Enjoy your trip.”

Auf gehts.

Mit dem Kajak durch Lettland

Die Paddeltour auf dem Gauja – es muss nicht Kanada sein

Die Prognose hatte Regen vorausgesagt, doch wir begannen die Tour unter hellblauen Himmel.

Wir hatten alles dabei, um autark unterwegs zu sein. Zelte, Gaskocher und Proviant sowie Trinkwasser für einige Tage. Das sind die Essentials um während einer Kajaktour unabhängig zu sein und einen der vielen kostenlosen Zeltplätze unterwegs zu nutzen.

Auf dem Gauja-Fluss paddelt es sich wunderbar. Die Strömung unterstützt beim Paddeln und die kurvige Flussrichtung bietet abwechslungsreiche Landschaften. Vorbei an malerischen Felsenformationen fühlte man sich wie im Canyon-Gebiet – eindrucksvolle Kajak-Erlebnisse findet man nicht nur in Kananda.

Der Gauja schlängelt sich ab Valmiera durch sandiges Terrain, wodurch immer wieder kleine Sandablagerungen zu spontanen Badeeinheiten einluden. Dies waren stets wilkommene Erfrischungen. Inmitten der Strömung fühlte man sich oft wie in einem natürlichen Badeparadies.

Campen in Lettland
Badebuchten beim Kajakfahren

Und so flossen die Tage dahin, der Sandbucht folgte eine Felsformation, Adler flogen über uns hinweg, Kraniche wurden zu unseren Begleitern, Gewitterwolken zogen vorbei. Wir paddelten rund vier bis sechs Stunden pro Tag und schafften ca. zwanzig bis fünfundzwanzig Kilometer im aktiven Tempo mit reichlich Pausen. Mit unseren Regen-Ponchos machten uns die gelegentlichen Schauer auch nichts aus, sondern brachten vielmehr eine willkommene Abkühlung.

Flusswandern im Kajak
Kajak ausleihen in Lettland

Schlafen und Essen unterwegs

Unterwegs gibt es nur vereinzelt Möglichkeiten Proviant aufzustocken. Meistens in den größeren Städten wie Sigulda oder Cesis, die jedoch weiter weg vom Fluss liegen. In Malniera gibt es ein Restaurant direkt am Fluss, wo man lecker Pizza essen kann. Wir hatten aber alles im Gepäck und waren so flexibel.

Gegessen wurde traditionell einfach und was sich schnell kochen lässt. Porridge mit Früchten und Nüssen am Morgen, zum späten Mittagessen wahlweise Pasta mit Pesto und einfachem Salat. Oder eine rote Linsen-Reis-Kombination als Abwechslung. Tipp: Basmati Reis und rote Linsen haben ungefähr die gleiche Kochzeit, weshalb sie gut in einem Topf gekocht werden können.

Für unterwegs gabs Snacks und geschmierte Stullen mit dem lokalen Brot Rupjmaize – einem Brot aus Roggenmehl welches ohne Anteile von hellerem Mehl gebacken wird. Einfach, aber nährend und nach langen Paddeltagen auch zufriedenstellend.

In der ersten Nacht teilten wir uns den Zeltplatz mit einer kleinen Freundesgruppe, die über einer Feuerstelle, in einem Topf, ihr Abendessen zubereitete. Die Töpfe bekommt man auch beim Kajak-Verleih mit auf den Weg, und kann so sein Essen über offenem Feuer zubereiten.

Feuerstelle am Fluss
Campen beim Paddeln

Als Nachtstellplätze nutzten wir zumeist die kostenlosen Campingstellplätze. Es gibt auch bezahlte Campingplätze, die Küche und warme Duschen anbieten und zum Teil auch eine mobile Sauna. Eine Hütte gönnten wir uns, als uns der Regen richtig erwischte (und ich samt Pulli und Jacke ins Wasser fiel).

Entlang des Flusses ist alles gut ausgeschildert, die Campingplätze sind im top Zustand und liegen direkt am Fluss. So macht zelten doppelt Spaß. Es gab stets ein Plumpsklo mit Toilettenpapier (eine Notfallrolle solltet ihr trotzdem immer dabei haben), Feuerstellen, überdachte Rückzugsorte und reichlich Platz für die Zelte. Die Nächte waren lauwarm, die Sonne ging spät unter und begrüßte uns früh morgens wieder.

im Gauja-Nationalpark, den Kranichen folgend …

Entgegen der Erwartung spielte nicht nur das Wetter die ganze Tour mit – auch waren wir fast die gesamte Tour über alleine unterwegs. Vereinzelt trafen wir auf Grüppchen oder Angler, doch es überwog das Gefühl, die Natur ganz für sich genießen zu können, jenseits von menschgemachtem Lärm.

Wir haben Agris gefragt was den Gauja-Nationalpark so besonders macht.

Erstens die Tatsache, dass der Fluss Gauja fast 300 km ununterbrochen fließt. Zweitens seine Vielfältigkeit: am Anfang eher schmal, am Ende sehr breit, Ebenen, Täler, Klippen, Inseln – fast alle möglichen Formen sind in einem einzigen Fluss zu finden. Und drittens würde ich sagen, dass der Fluss die von Menschenhand geschaffenen Artefakte (mit Ausnahme von Brücken) auf Abstand hält, so dass sich Paddler die meiste Zeit in der Natur fühlen können.

Unser Highlight war ein treuer Wegbegleiter, der sich uns nach einer Wasseraufstockung anschloss und uns knapp sieben Kilometer weit unablässig am Ufer entlang folgte und immer wieder ins Wasser sprang, um zum Kajak heran-zuschwimmen. Irgendwann machten wir uns dann doch sorgen und riefen die Campingstelle an – doch uns wurde versichert, dass dies ganz normal wäre, und dass der Hund sich bis auf zwanzig Kilometer im Umkreis bestens auskenne.

Unser Wegbegleiter

Neben haarigen Fischen begleiteten uns auch Entenfamilien, Kraniche, Adler und natürlich auch Mosquitos. In den frühen Morgenstunden kann man wohl des öfteren auch einen Elch oder Bieber bei der Flussüberquerung beobachten – so früh schafften wir es jedoch nie raus!

Das idyllische Tempo, der ständige Fluss, die Stille und eine sich erstreckende Natur in alle Himmelsrichtungen. Mein Alltag in der Stadt wurde durch diese Auszeit zurecht gerückt, und die Seele konnte zwischen Kajak und Hängematte baumeln.

Ausflug nach Sigulda

Am vierten Tag legten wir eine kleinere Etappe ein und planten einen Ausflug nach Sigulda, eine Stadt die für Ihre Burgen und Höhlen in der Umgebung bekannt ist. Nachdem wir unser Lager aufgeschlagen hatten, entkamen wir nur knapp einem Regenschauer, indem wir uns in das nächst gelegene Restaurant flüchteten. Das Doma Cafe war dann auch ein Glückstreffer, hier gab es leckere Bowls und Wraps, sowie Kambutscha aus der Flasche.

In der Stadt erkundeten wir das Schloss, stockten Proviant auf und genossen Eiswaffeln in verrückten Geschmacksrichtungen.

Mit der Stadt wurden wir jedoch nicht so richtig warm, so zog es uns weiter in die Natur, in unser Kajak, weiter auf dem Fluss.

Wenn die Rosa-Rote Brille abgelegt wird

Die Natur war wirklich das Highlight. Auch ein Tagesausflug nach Riga gegen Ende der Reise war nett, kam aber nicht an das idyllische Naturerlebnis auf dem Gauja Fluss ran.

Wir hatten Glück mit dem Wetter und die Menschenmengen blieben trotz Hochsaison aus. Natürlich ist in der lättischen Natur nicht alles rosarot – dem Fluss konnte man auch deutlich die Wasserknappheit entnehmen. In früheren Sommermonaten war die Gauja ausgiebiger gefüllt.

Auch gibt es ähnliche Naturschutzprobleme wie in anderen Ländern: Überfischung, Überforstung und Wasserverschmutzung durch die Industrie. Und doch fühlt sich dieser Fleck in Europa wilder an, weniger überlaufen – mit Platz für Tier, Pflanze und Mensch.

Ausklang am Meer – das nächste Kajakabenteuer in Sicht

Es gibt nicht viele Orte in Europa, in denen man dutzende Kilometer an der Küste spazieren kann und dabei kaum auf andere Menschen trifft. Lettland ist so ein Land.

Die letzten zwei Tage entspannten wir in der kleinen Strandstadt Garciems, eine dreißig minütige Zugfahrt von Riga entfernt. Dort lebten wir im einem urigen Holzcottage in Strandnähe. Neben einem Café und einem kleinen Supermarkt, der regionale Lebensmittel verkaufte.

Lettland am Meer
Holzcottage am Meer

Die Holzhütte erinnerte mich an meine Kindheit in Polen bei Oma auf dem Land. Es roch ähnlich alt, das Holz war abgeblättert und das Wasser wurde direkt aus der Erde gepumpt.

Insgesamt brachte die Reise Kindheitserinnerungen wieder und erweckte den Traum, mit einer engen Freundesgruppe gen Norden zu streben, um dem Fluss Gauja folgend die Seele baumeln zu lassen, Abends am Lagerfeuer essen zu kochen, Lieder zu singen und Karten zu spielen.

Der Traum ist gepflanzt, jetzt geht es erstmal zurück nach Berlin, einfach nur den Schildern folgend. Wann geht dein Kajakabenteuer los?

Text: Jakob Wolski  © Fotos: Jakob Wolski

Jakob arbeitet als freier Autor und Kooperationstratege für Good Travel. Bewegt durch ein Studium in Anthropologie, interessiert sich Jakob vor allem für die sozialen und kulturellen Aspekte des nachhaltigen Reisens, und möchte Destinationen und Unternehmen dazu bewegen, langfristig Richtung nachhaltigem Tourismus umzudenken. Wenn Jakob gerade nicht für Good Travel arbeitet, steht er auf Theaterbühnen oder bastelt an sozialen Interaktionsspielen.