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Workation auf Bali

Workation auf Bali

Endlich war es soweit: das Flugzeug hob ab, Richtung Südostasien, an das andere Ende der Welt, wo Sommer war.

Im Dezember 2022 wurde mein lang ersehnter Traum wahr. Zu Beginn dieses Jahres hatte ich mir fest vorgenommen: „Den nächsten Winter werde ich nicht in Berlin verbringen!“ – gesagt, getan. Den doch recht aufwendigen, ereignisreichen und langwierigen Prozess bis dahin behalte ich an dieser Stelle für mich.

Sie ging wirklich los: die Workation! Zum ersten Mal länger als ein bis zwei Wochen und dazu noch auf relativ unbestimmte Zeit. Letztlich wurden es sechs Monate, doch zu Beginn der Reise blieb das Enddatum bewusst offen, um sehen zu können, ob mir Bali gefällt, ob das Arbeiten von unterwegs aus funktioniert und das Prinzip von Arbeiten und Urlauben gemeinsam klappen kann.

Urlaub und Arbeiten auf Bali
Strand von Bali
Essen auf Bali

Bali – Sonne, Strand und Kokosnuss

Die Wahl fiel auf Bali. Wieso kann ich gar nicht mehr genau sagen. Ich habe mich in die Idee verliebt, zeitweise auf einer Insel zu leben, mit tollen Stränden und gleichzeitig einem Dschungel, abwechslungsreichen Orten sowie Flora und Fauna, noch dazu mit einer Infrastruktur, die für Remote-Arbeitende ausgelegt ist. Zugegeben: ich habe mich auch in die Instagram-Bildwelten verliebt, in denen mir klar wurde, auch kulinarisch werde ich nicht zu kurz kommen und keine Küchenrichtung dieser Welt missen müssen. Schließlich bin ich ziemlich verwöhnt aus Berlin. Und dass ich vorher noch nicht in Indonesien oder auf Bali war, machte das ganze noch abenteuerlicher.

Angekommen bin ich am späten Nachmittag und wollte, nachdem das Gepäck in der Unterkunft abgelegt wurde, sofort an den Strand. Der erste Sonnenuntergang an der Westküste war so atemberaubend schön, dass ich wusste, alles richtig gemacht zu haben!

 

Abenddämmerung auf Bali
Sonnenuntergang auf Bali

In Deutschlands Zukunft leben

Von Dezember bis März, bis zur Zeitumstellung, war ich Deutschland sieben Stunden voraus, ab März dann nur noch sechs. So oder so konnte ich praktisch in der Zukunft Deutschlands leben. Das hieß für mich, egal wann ich am Morgen aufstand, ich hatte in jedem Fall einige Stunden für mich, ohne Arbeit, wenn ich um 14 Uhr, also um 8 Uhr CET anfing zu arbeiten. Ich hatte „Feierabend“, bevor ich arbeitete und arbeitete dafür in den Abend hinein. Natürlich brauchte es am Anfang ein wenig Zeit, um voll im neuen Arbeitsrhythmus anzukommen, aber sobald ich daran gewöhnt war, genoss ich ihn sehr. Die Vormittage und Mittagszeiten fand man mich am Meer, im Pool, mit einem Buch in der Hand, in einem der schönen Cafés mit leckerem Essen oder auch bei einem Ausflug: Seit der Reise bin ich ein großer Fan von gebuchten Experiences wie über AirBnB, GetYourGuide und anderen Anbietern. Zu den Highlights gehören: Die Nachtwanderung auf den zweitgrößten Berg, den Mount Batur, ein Kochkurs über acht balinesische Gänge auf einer ökologischen Farm, bei der wir zuvor die Zutaten frisch pflückten, wie beispielsweise 20 Chillies, Ingwer und Zitronengras, oder der Besuch von Tempeln, Wasserfällen und einer biologischen Kaffeeplantage.

 

Balinesischer Kochkurs
Kochen auf Bali
frische Zutaten
Biologische Kaffeplantage
Wandertour auf Bali

Work-Life-Balance oder arbeiten bis in die Nacht?

Meine Kunden, Coachees und andere Projekte ließ ich nicht nur wissen, wo ich mich befinde, sondern auch, dass Meetings wenn möglich weniger auf den frühen Abend gelegt werden, da es bei mir dann bereits später Abend war. Dennoch kam es ab und an vor, dass ich Meetings bis nach Mitternacht moderierte oder auch E-Mails beantwortete. Mal ehrlich: Das habe ich in Berlin sonst auch immer mal wieder gemacht, also abends Dinge abgearbeitet oder E-Mails geschrieben, nur habe ich diese dann nicht um 23:20 Uhr abgeschickt, sondern erst am nächsten Morgen… Für mich war die gewonnene Work-Life-Balance viel ausschlaggebender: Das Freizeitprogramm lässt sich wunderbar leicht und abwechslungsreich gestalten: Yoga, Fitness, Mediation, Surfen, Schnorcheln, Spa-Besuche, Massagen, Entspannungsprogramm können sehr leicht in den Alltag integriert werden, weil alles vor Ort ist.

Im Schneckentempo Reisen

Bali gehört zu den beliebtesten Reisezielen. Es war demnach kein Wunder, dass ich zahlreiche Tipps von Freund:innen und Bekannten für die Insel erhielt, auch umliegende Inseln wurden mir empfohlen, denn wenn man schon einmal dort ist, liegt es nahe, sich auch den ein oder anderen schönen Ort anzusehen. Nur muss man bedenken, dass ich im Vergleich zu meinen sonstigen Urlaubsreisen oder Citytrips wie im Schneckentempo unterwegs war. Das war mir von Anfang an klar und auch nicht weiter schlimm, – denn genau aus diesem Grund war es gut, so viele Monate unterwegs zu sein. Schneckentempo deshalb, weil ich Vollzeit arbeite, zwar den vorgezogenen Feierabend genoss, aber dennoch viel weniger Zeit für lange Ausflüge, Fahrten ans andere Ende der Insel oder eben Inselhopping hatte. Die Wochenenden dienten meist zum Wechsel der Unterkunft/Location und dann hieß es dort, erst einmal wieder ankommen: Sprich, das WLAN in der Unterkunft checken, war es zu schlecht, musste schnell ein neuer „Arbeitsplatz“ her, wie ein Café, das nicht zu stark besucht ist (was in Bali eine Herausforderung sein kann) und nicht zu laute Musik spielt. Denn schließlich fangen die Noise-Cancelling-Kopfhörer auch nicht alle Geräusche ab und man ungern sieht, dass man von dort aus arbeitet.

Auf Bali gibt es auch ein paar Coworking Spaces, wie beispielsweise das Outpost, welches ich in Ubud entdeckt und ausprobiert habe. Dort konnte ich unter anderem in klimatisierten Räumen bei einer No-Noise-Policy arbeiten oder mir Boxen buchen, um in Ruhe und bei Highspeed Internet Coaching-Sessions und Meetings durchzuführen. Das Outpost hat in Ubud zwei Locations und darüber hinaus einen Standort in Canggu. Es finden immer wieder organisierte Networking-Events statt, das ist natürlich für diejenigen praktisch, die länger vor Ort sind und andere Remote-Arbeitenden kennenlernen möchten.

 

Workation auf Bali
Workation auf Bali
Videokonferenz auf Bali
Arbeiten auf Bali
Coworkingspace auf Bali

No Wifi, no Money

„No Wifi, no Money“ klingt natürlich sehr dramatisch, aber auf Bali merkte ich deutlich, wie wichtig eine gut funktionierende Internetverbindung ist und gleichzeitig musste ich auch damit umgehen können, wenn die Wifi-Verbindung einfach nicht stark genug war, oder andere unvorhersehbare Ereignisse eintrafen: Ich erinnere mich an ein Good Travel Meeting, an dem ich von der Dachterrasse meiner Unterkunft aus teilnahm, so konnte ich neben den lieben Menschen aus dem Team auch den Sonnenuntergang sehen, doch plötzlich fing es leicht an zu regen – gar nicht gut für Laptop und Co. – weshalb ich schnell ins Zimmer umziehen musste, danach hat es so stark geregnet, dass ich kaum Verbindung hatte. Aber dank eines verständnisvollen Teams war das natürlich kein Problem. Ich selbst durfte nur lernen, ruhig zu bleiben und die Dinge zu nehmen, wie sie kamen.

In einem anderen Meeting musste ich plötzlich von meinem Arbeitsplatz aufspringen, da ich total erschrocken bin, denn ein Affe bahnte sich seinen Weg zu meinem Arbeitsplatz – der Grund: er wollte die hübsche Blüte, die als Dekoration des Tisches diente, lieber fressen als aus der Ferne beobachten. Ich bin dann also im Meeting einfach aufgesprungen und habe erklärt, wieso man mich nun nicht mehr sehen und nur noch hören kann. Gleichzeitig hoffte ich inständig, dass der Affe meinen Laptop, Maus und der Tastatur keine Aufmerksamkeit schenkt und liegen lässt, denn es kommt immer wieder vor, dass Affen die liebsten Gegenstände von Menschen mitgehen lassen.

Workation im Regen
balinesischer Affe

Wie ist Bali so? / Wie gefällt dir Bali?

Immer wieder wurde ich von Familie, Freund:innen und Arbeitskolleg:innen gefragt, ob und wie mir Bali gefällt. Von Anfang an war mein Eindruck zwiegespalten! Da sind die herzlich netten Menschen, die man tagtäglich bei ihren meditativen Hinduismus-Ritualen beobachtet, die immer ein Lächeln im Gesicht tragen und stets bereit sind zu helfen. Auch der Service in Restaurants und die Hospitalität ist eine ganz andere, als wir ihn aus Deutschland gewohnt sind. Dazu die warmen Temperaturen, die hohe Luftfeuchtigkeit, welche ich gerne mag, und natürlich die wunderschöne, saftige grüne Natur.

Balineser
Schulkinder auf Bali
Rituale auf Bali
Rituale auf Bali
grüne Landschaft auf Bali

Gleichzeitig werden einem die Schattenseiten sofort deutlich, denn sie sind nicht übersehbar. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich loswerden, dass ich darauf in jedem Fall eingestellt war, Dinge sich aber anders anfühlen, wenn man sie mit den eigenen Augen sieht, mit seinen Händen spürt und das jeden Tag aufs Neue.

Die Insel, die niemals stillsteht

Da ist der Verkehr zu nennen, der wortwörtlich niemals still steht, zumindest in den von Tourist:innen beliebten Regionen. Hier wird deutlich, dass die Insel nicht für die Vielzahl an (Langzeit-)Besuchenden ausgelegt ist. An gewissen Orten bricht die Infrastruktur zusammen – lange Staus, selbst auf einem Roller, gehören zum Alltag. Wobei genau das Fahren auf einem Roller zur besonderen Bali-Experience dazugehört. Gefahren wird mit oder ohne Helm, bekleidet oder oberkörperfrei, alleine, zu zweit oder zu viert, mit oder ohne Baby, mit oder ohne Hund(en), mit oder ohne Essens- oder Warenlieferungen wie Mehl, Reis oder Wasserkanistern. Egal wie kurz oder lang die Strecke ist, sie wird mit dem Roller zurückgelegt, denn klassische Fußgängerwege gibt es nicht beziehungsweise nur an einigen Orten. Wenn man also laufen mag, dann auf der Straße, an denen Scharen an Rollern an einem vorbeidüsen.

Motorroller auf Bali

Die zwei Welten zwischen den Tourist:innen und den Einheimischen

Nach einer gewissen Zeit auf der Insel, in der ich Abläufe und Konversationen zwischen Einheimischen und Tourist:innen mitbekommen habe, wurde mir klar, wie unfair die Situation ist. Die Balinesen und Indonesier, die auf Bali arbeiten, leben oft von Arbeitslohn zu Arbeitslohn, versuchen Geld für ihre Familie wegzulegen, werden von ihrem Gehalt jedoch nicht reich, arbeiten schwer, teilweise von früh bis spät und oft auch mehrere Wochen durch. Sie haben kaum frei und die meisten sind noch nie in den Urlaub gefahren. Sie sehen tagtäglich, wie verschwenderisch Tourist:innen mit Lebensmitteln umgehen, wie privilegiert sie sind, hören, wie viele Urlaubsziele sie schon bereist haben und sehen beispielsweise mich, die aus einem Café aus arbeiten kann. Wenn ich mit ihnen ins Gespräch kam, habe ich oft gehört, wie faszinierend sie das finden, dass ich von überall aus arbeiten kann. Ein junger Balinese meinte zu mir, dass er wohl nie woanders arbeiten kann, außer er erfüllt sich seinen Traum, auf einem Cruiseship zu arbeiten. Das machte mich sehr nachdenklich.

Nachdenklich wurde ich auch bei Gesprächen mit Balinesen, die mir erzählten, dass sie ihren eigenen Ort noch nicht verlassen haben oder noch nie den Süden der Insel gesehen haben. Ich fragte mich immer wieder, wie das möglich sein kann. Aus weiteren Gesprächen erfuhr ich, dass viele nicht schwimmen können. Auch das konnte ich erst gar nicht glauben, sie leben im Paradies, direkt am Strand, für den die Tourist:innen tausende Kilometer zurücklegen – und können selbst nicht schwimmen. Schnell wurde klar: Niemand bringt es ihnen bei, Schwimmkurse sind nicht Teil der schulischen Lehrplans und auch die Eltern können ihnen nicht beibringen, was sie selbst nicht gelernt haben. Glücklicherweise gibt es die Initiative Swimdo, die Kindern durch Spenden kostenfrei das Schwimmen beziehungsweise Techniken beibringt, wie sie im Wasser und bei Strömung überleben können.

Bali, die Insel des Plastiks

Als ich die Berge an Müll gesehen habe, die man bereits auf der Fahrt vom Flughafen ab sah, war ich geschockt und als ich immer weitere Müllberge gesehen habe, nur noch mehr. Alles Mögliche häuft sich dort – von Kokosnussschalen bis hin zu Plastiktüten. Auch am Strand sieht man Unmengen an Müll, was teilweise dort abgelegt wird, aber leider auch über die Flüsse ins Meer angespült wird. An vielen Stellen im Wasser, egal ob im Osten, Süden, Westen der Inseln, schwimmt man mit Plastik. Nicht immer gleich stark, aber überall mit Müll im und am Wasser. Einmal die Woche fährt die Müllabfuhr durch die Orte und sammelt den Müll ein, um ihn an einer großen Halde abzuwerfen. Zwischendurch brennt Müll an Straßenseiten und am Strand.

Es gibt einige Organisationen, die dem Plastik den Kampf angesagt haben. So auch Sungai Watch, die immer wieder inselweite Beach-Clean-Ups organisieren. Bei einem war ich auch dabei und habe tütenweise Müll am Strand gesammelt. Das war natürlich ein schönes Gefühl, gemeinsam etwas zu unternehmen. Gleichzeitig wurde mir immer wieder gesagt, dass am nächsten Tag wieder genauso viel Müll angespült wird…

Einige Einheimische sind sich über die Problematik durchaus bewusst und sind aktiv geworden: The Museum of Space Available zeigt in wechselnden Ausstellungen, was mit recyceltem Plastik oder neuen Materialien, wie beispielsweise aus Mycelien hergestellt werden kann. Darüber hinaus engagieren sie sich in Bildungsarbeit. Unbedingt vorbeischauen, wenn man vor Ort ist.

Müll am Strand von Bali
Beim Beach Clean-up
Müllberge auf Bali
Im Museum

Ob ich wieder nach Bali reisen werde?

Ich hoffe es! Natürlich interessiert mich, wie sich die Insel weiterentwickelt und ich hoffe natürlich zum Besseren. Ich hoffe, dass sich die Regierung des Müllproblems annimmt und nachhaltige Lösungen einführt und darüber hinaus für mehr Aufklärungsarbeit, was Themen wie Umwelt- und Meeresschutz und Recycling angeht. Zudem möchte ich mich, wenn ich wieder vor Ort bin, noch mehr einbringen und mithelfen. Wieder an Beach-Clean-Ups teilnehmen und Müll einsammeln, Bildungsprojekte unterstützen und vor allem die Menschen vor Ort und deren Natur respektvoll behandeln.

Ob das meine letzte Workation war?

Auf keinen Fall! Während ich den Artikel schrieb, war ich für vier Wochen in Portugal und habe von Porto und Lissabon gearbeitet. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass man sich mehr Zeit nimmt, um unterwegs sein zu können, langsam zu reisen und dabei besonders auf den Reiseort und die Menschen eingeht, also auch mal versucht, hinter die Kulissen zu schauen und zu überlegen, ob es eine Möglichkeit gibt, sich vor Ort einzubringen. Versuchen, weniger zu nehmen und auch etwas zu geben, wie beispielsweise Ideen und Zeit, damit paradiesische Orte, wie Bali, es schaffen, die Natur zu bewahren.

 

© Fotos: Cécile Meier

Cécile ist freie Autorin und Nachhaltigkeitsstrategin. Sie genießt das Reisen in vollen Zügen: Verschiedene Kulturen kennenzulernen, anderen Sprachen zu lauschen und dabei entweder am Meer oder in einer (Groß-)Stadt Neues zu entdecken, fasziniert sie immer wieder. Besonders liegen ihr die Geschichten und Intentionen der Good Travel Gastgeber:innen am Herzen.