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Mit dem Segelboot über den Atlantik

INA WO(A)NDERS: Über Abenteuer

Seit vielen Jahren ist unsere Autorin Ina unterwegs. Nun steht ihr bisher größtes Abenteuer an. In ihrer Kolumne sortiert sie ihre Gedanken rund um Ängste und das Gefühl, am Leben zu sein.

„Aber hast du denn gar keine Angst?“

Nach „Wo bist du gerade?“ ist das sicherlich eine der Fragen, die mir in den letzten Jahren am häufigsten gestellt wurden. So ganz allein als Frau auf dem Jakobsweg? Per Boot von Griechenland nach Sizilien? Mit dem Van nach Portugal? Und schließt du nachts auch immer von innen ab? Meistens rede ich dann meine Vorhaben klein. Erzähle, wie viele Leute das vor mir schon gemacht haben. Habe Statistiken parat, mit denen ich zu belegen versuche, dass garantiert alles gut wird.

So auch dieses Mal. Mein Ziel: Palmen, blauer Himmel, türkisblaues Wasser, und viel Grün. In rund acht Stunden könnte ich nun dem grauen europäischen Winter entfliehen und in die Karibik jetten. Die Wahrscheinlichkeit, dass mir auf dem Weg dorthin etwas zustößt, wäre sehr gering – gilt das Flugzeug doch als eines der sichersten Verkehrsmittel überhaupt. Doch ich habe mich anders entschieden. Ich werde die rund 2800 Seemeilen – etwa 5200 Kilometer – per Segelboot zurücklegen. Habe ich Angst? Na klar! Warum mache ich es trotzdem? Weil es ein Abenteuer ist! Und noch dazu ein klimafreundliches.

Atlantiküberquerung
Abenteuer Segeltour

Man braucht den Glauben, dass alles schon irgendwie gutgehen wird

Als Kind war ich nie besonders mutig, sondern höchstens ein bisschen naiv. Eine meiner Sternstunden war ein Freitag der 13., an dem ich die glorreiche Idee hatte, die vereiste Rutsche auf dem Spielplatz meiner Grundschule im Stehen hinunterzurutschen. Ich landete: auf dem Kopf – was einiges erklären dürfte. Und obwohl sich für kurze Zeit unter meinen Mitschüler:innen das Gerücht breitmachte, ich hätte dabei ein Auge verloren und würde jetzt wahrscheinlich Piratin werden, kam ich mit einer kleinen Narbe an der linken Augenbraue glimpflich davon. Die Theorie mit der Piratin ist aus heutiger Sicht vielleicht gar nicht mal so abwegig. Und was ebenfalls geblieben ist: der gelegentlich etwas naive Glaube, dass alles schon irgendwie gutgehen wird. Und den braucht man auch, wenn ein Abenteuer ansteht.

Abenteuer: riskant, außergewöhnlich und erregend

Laut Duden ist ein Abenteuer eine „mit einem außergewöhnlichen, erregenden Geschehen verbundene, gefahrvolle Situation, die jemand zu bestehen hat“. Das finde ich allerdings nur bedingt passend. Schließlich schreibt mir ja niemand vor, dass ich nur mit der Kraft des Windes und umgeben von nichts als Wasser eine Strecke zurücklege, die so weit ist wie von Berlin nach Lissabon und wieder zurück. Ein „außergewöhnliches, erregendes Erlebnis“ oder zumindest ein „riskantes Unternehmen“ – das trifft es schon eher. Der Begriff Abenteuer hat lateinische, altfranzösische und mittelhochdeutsche Wurzeln, ist aber auch mit dem Wort „Advent“, also Ankunft, verwandt. Das gefällt mir besonders gut. Denn es stimmt mich optimistisch, dass ich nach etwa 20 Tagen auf hoher See auch im Paradies ankommen werde.

Mit Abenteuern dem Leben ein Schnippchen schlagen

In meinem persönlichen Ina-erklärt-sich-die-Welt-Wörterbuch habe ich das Wort Abenteuer allerdings anders abgelegt. Als ich vor sieben Jahren einen geliebten Menschen verlor, dessen Lebensabend noch längst nicht hätte kommen dürfen, war ich zunächst wie gelähmt. Und dann, ganz allmählich, begann etwas in mir zu ticken, zu kribbeln, sich zu winden. Ein widerspenstiger, trotziger und mir nicht mehr auszutreibender Wille, im Jetzt und Hier intensiver zu leben. Ein Abenteuer wie eine Atlantiküberquerung ist deshalb für mich die beste Art und Weise, dem Leben ein Schnippchen zu schlagen. Sicher: solche Vorhaben könnten mich teuer zu stehen kommen. Aber wenigstens habe ich saumäßig gelebt, bevor es Abend wird.

Mit dem Segelboot über den Atlantik

Sehnst du dich, so wie ich, regelmäßig nach Abenteuern – am liebsten weit weg von Zuhause? Oder brauchst du dieses Kribbeln nicht, um dich lebendig zu fühlen?

Ich freue mich jederzeit über Feedback, Anregungen oder Fragen – gerne als Kommentar oder direkt per Mail an [email protected].

© Fotos: Ina Hiester

Ina ist digitale Nomadin und reist zu Wasser und zu Lande durch Europa. Dabei hält die Journalistin stets Ausschau nach besonderen Orten für Good Travel, philosophiert in ihrer Kolumne über das Reisen, fotografiert, musiziert und schreibt Artikel zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen aller Art.

2 Comments

  • Astrid Lache

    Hallo Ina,
    Ich finde Deine Art des Schreibens sehr persönlich, aber gut gewürzt mit Humor. Das gefällt mir. Ich singe als mal mit in Dorweiler, daher kenne ich Deine Eltern. Reisen, auf der Suche sein, intensiv leben…etwas wagen. Kann ich gut verstehen. Ich reise alle 3 Jahre nach Bolivien und unterstütze dort mit einer NGO verschiedene Projekte.
    Gesegnete Weihnachtszeit und guten Wind in den Segeln.
    LG Astrid

    • Ina

      Liebe Astrid,
      vielen Dank für dein nettes Feedback, es freut mich sehr, dass dir meine Kolumne gefällt.
      Ich war noch nie in Südamerika, aber wer weiß, eines Tages… Schade nur, dass Bolivien keine Küste hat.
      Beste Grüße aus Dominica
      Ina

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